Im Zeichen der Angst Roman
fragte David.
»Nein, um Himmels willen, ich bin mir nicht sicher.«
David überlegte ein paar Sekunden.
»Ich kann mich sehr gut in deine Lage hineinversetzen, auch wenn du es nicht glauben magst. Ich konnte es schon beim ersten Mal. Wir haben Möglichkeiten. Aber es ist immer besser, die Polizei zu informieren. Objektiv betrachtet musst du das sogar.
Sie hat schlicht mehr Möglichkeiten, mehr Personal, mehr Technik, einen besseren Zugang zu Daten. Als Vater aber würde ich die Dinge diesmal selbst in die Hand nehmen und mich nicht um das scheren, was die Polizei will.«
»Habt ihr euch abgesprochen? Das Gespräch hatte ich nämlich schon mit Claus«, sagte ich. »Und weißt du was? Diese Kommissare glauben - oder zumindest der eine -, ich hätte vielleicht mit meiner Mutter damals unter einer Decke gesteckt und wir selbst hätten die Entführung verpfuscht. Oder der Dritte, Bruchsahl, den wir dann abserviert hätten.«
»Wie kommen sie darauf?«
»Meine Mutter hat drei Wochen nach der Lösegeldzahlung in der Schweiz ein Konto eröffnet und zwei Millionen Dollar bar eingezahlt.«
David stöhnte auf.
»Sie hat nichts damit zu tun«, sagte ich und machte einen Schritt auf ihn zu.
»Lass mich«, sagte er und hob abwehrend die Hände.
»Ich war im Gefängnis, hörst du. Jemand hat mir die ganze Geschichte angehängt, und meine Tochter ist dabei gestorben. Damit hat meine Mutter nie im Leben etwas zu tun.«
David trank den Cognac, den er auf dem Tischchen abgestellt hatte. Er löschte die Zigarre, legte sie in einen klobigen Kristallaschenbecher und rieb sich die Stirn.
Ich sah ihm ratlos zu. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
Er drehte sich wieder zu mir, und ich erzählte ihm schließlich alles, was ich wusste und was ich vorhatte. Ich erzählte ihm auch von der Frau. Ich hatte entschieden, dass ich keine andere Wahl hatte, als restlos offen zu sein. Claus hatte Recht. Ich brauchte jede Hilfe, die ich bekommen konnte. Ich brauchte Davids Hilfe. Ich brauchte seine Kanäle, seine Kontakte - und seine Freundschaft.
Wir hatten uns in die Sessel am Kamin gesetzt.
»Okay«, sagte er, als mein Bericht endete. »Josey bleibt hier.
Egal, was du willst oder denkst. Hier ist der einzige Ort, an dem sie sicher ist. Wir müssen herausfinden, woher deine Mutter das Geld hatte. Du bleibst heute auch hier, nebenan in der Gästewohnung. Jetzt fahren wir in deine Wohnung und danach nach Horststätt.«
»Nein«, sagte ich. »Ich lasse Josey nicht hier.«
»Das wirst du aber, wenn du willst, dass sie in Sicherheit ist. Da draußen ist sie das nicht.«
Ich schwieg, deshalb fuhr er fort: »Dann, Clara, werden wir diesen Entführungsfall wieder aufrollen. Ich werde Abschriften von den Akten besorgen.«
»Nein«, sagte ich, »bitte nicht noch einmal.«
»Doch«, sagte David. »Es muss sein. Mankiewisc und dieser Groß haben völlig Recht: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Entführung und den zwei Millionen Dollar, die deine Mutter auf ein Konto eingezahlt hat. Egal, ob dir das gefällt oder nicht. Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen ihrem Tod und der Forderung, diese zwei Millionen zurückzuzahlen. Wenn mich nicht alles täuscht, zahlen wir sie an die alten Entführer zurück.«
»Ich«, sagte ich. »Ich zahle diesmal selbst.«
David lachte. »Du hast doch selbst gesagt, das Konto deiner Mutter bleibt gesperrt.«
»Ich habe genug Geld«, sagte ich, »ich kann es vorstrecken.«
»Nein«, sagte David entschieden. »Ich sorge dafür, dass wir das Geld so schnell wie möglich zur Verfügung haben. Diese vier Tage - man weiß nicht, ob sie es sich nicht anders überlegen.«
15
Sie waren in meiner Wohnung gewesen. Sie waren dort gewesen, wo ich mich immer sicher und geborgen gefühlt hatte. Dort, wo ich am liebsten war und wohin ich mich zurückzog, wenn die Welt draußen zu sehr lärmte mit schlechten Nachrichten,
Katastrophen oder Kriegen. Dann ließ ich abends die Jalousien herunter, schaltete das Licht ein und verkroch mich in die Welt der Schatten und Fantasien. Ich setzte mich in mein Bett, nahm mein Laptop auf die Knie und floh in meine Geschichten. Ich lebte mit meinen Figuren ein Leben, das ich gestaltete. Nicht irgendjemand, der gerade wieder eine Wahl gewinnen wollte, die Aktienkurse puschte oder die Ölpreise hochtrieb. Ich erfand ihnen ihre Welt, und manchmal denke ich, hätte ich diese Parallelwelten für sie nicht gefunden und erfunden, dann hätte auch mein Therapeut John Hart mir letztlich
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