Im Zeichen der Angst Roman
woher das Geld stammte. Wir fanden außerdem heraus, dass er dieses Grundstück weit unter Wert erwarb und dass es Gerüchte gegeben hatte, dass Plotzer nicht ganz legale Mittel eingesetzt hatte, um das Ehepaar zum Verkauf zu überreden. Es war bekannt, dass Plotzer bis in die höchsten Senatsspitzen
hinein beste Verbindungen hatte, und es gab Gerüchte, dass er diese auch zu nutzen verstand.
An diesem Punkt wurde Claus, der gerade ein halbes Jahr Chefredakteur des Blattes war, die Sache zu heiß. Er informierte Diana und Christian Schiller, verschwiegjedoch, dass ein Peter Plotzer bereits 1944 umgekommen war. Die Ansage aus der Verlagsleitung war knapp und präzise. Wir hätten das Dossier auszuhändigen und unter keinen Umständen weiter zu recherchieren. Ende der Diskussion.
Ich entfernte alle Dokumente, Urkunden und Unterlagen, die auf Plotzers Tod hinwiesen. Wenn etwas an Peter Plotzer nicht stimmte, brauchte niemand zu erfahren, was wir wirklich wussten.
Es war keine meiner Ruhmestaten, so kampflos aufzugeben, und ich habe mich nächtelang gequält mit der Frage, was ich tun sollte. Über eines jedoch war ich mir im Klaren: Wenn die Schillers die Geschichte nicht in ihrer Zeitung wollten, dann wollte sie auch kein anderes großes, hanseatisches Blatt. Ich hatte eine Familie, eine kleine Tochter, einen Mann. Wir waren gerade fünf Jahre in Hamburg, wir zahlten immer noch jeden Monat die Raten für unsere Wohnung ab. Ich hätte diese Story vielleicht in irgendeinem reißerischen Blatt veröffentlichen können, doch dann wäre ich als Journalistin für den Rest meines Lebens erledigt gewesen. Kais Anwaltspraxis lief lange nicht so gut, wie er es sich wünschte, und wir waren schlicht und ergreifend darauf angewiesen, dass ich Geld verdiente. Jeden Monat.
Wir hatten in der ganzen Zeit, die wir an der Geschichte arbeiteten, nie herausbekommen, woher dieser Mann, der sich als Peter Plotzer ausgab, gekommen war, wie er tatsächlich hieß und woher er das Geld hatte.
Peter und David Plotzer wurden im Herbst 1995 für ihr soziales Engagement als »Hamburger des Jahres« ausgezeichnet, und wir erhielten die Erlaubnis, das einzige Interview, das der pressescheue
Peter Plotzer jemals gegeben hatte, zu führen. Christian Schiller hatte es vermittelt. Die Fragen wurden vor dem Gespräch an Vater und Sohn gefaxt. Sie hätten uns die Antworten zurückfaxen können, so einstudiert wirkten ihre Antworten auf Claus und mich, als wir ihnen schließlich in ihrem Firmenbüro in einem alten Kontorgebäude am Fleet zwischen dem Neuen Wall und dem Alten Wall gegenübersaßen.
Das Interview erschien mit einem Foto, das von Peter und David Plotzer während der Preisübergabe im Hamburger Senat Ende Oktober 1995 gemacht worden war.
Im Januar 1996 wurde meine Tochter statt Davids Tochter Katharina entführt.
So viel zu dem, was ich wusste.
»Hör auf mit diesen Spielen«, sagte David und öffnete eine Schublade seines Schreibtisches. Er warf einen dünnen Ordner mit einem grünen Plastikumschlag auf den Tisch. Ich ging zum Schreibtisch, nahm den Ordner und öffnete ihn. Er umfasste etwa 130 Seiten.
Etwas traf mich mit der Wucht und der Geschwindigkeit eines Schnellzuges.
Ich warf den Ordner zurück auf den Tisch.
Es war alles da: Rechercheprotokolle, Zeugenaussagen, Dokumente. Jemand hatte David Plotzer das gesamte Dossier über seinen Vater und ihn übergeben, und ich ahnte auch, wer.
»Woher hast du das?«, fragte ich und hoffte, er würde mir die Betroffenheit nicht anhören.
»Das ist unwichtig«, sagte er und rieb sich die Stirn.
»Claus informiert dich doch noch heute über jeden Schritt, den ich tue.« Ich schluckte. »War er es?«
»Nein. Claus hat mich über den Tod deiner Mutter und diese ominöse Drohung informiert, weil er will, dass ich dich und deine Tochter beschütze. Er denkt offenbar, ich sei einer von den Guten.«
»Claus ist manchmal zu sehr Karrierist«, sagte ich und steckte die Hände in die Jeanstaschen. »Ich wusste bislang nur nicht, wie weit er dabei geht.«
»Du bist paranoid«, erwiderte David. »Und nur mal so nebenbei, du bist nicht weniger karrierebesessen.«
Das saß, auch wenn ich nicht leugnen konnte, dass er auf eine bestimmte Weise Recht hatte. Natürlich wollte ich Erfolg haben. Weshalb denn auch nicht? Ich machte meinen Job doch nicht neun Stunden am Tag, um dann am Abend nach Hause zu gehen und mir zu sagen, ich hätte nicht mein Bestes gegeben. Wenn ich jedoch mein Bestes
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