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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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nicht helfen können. Schreiben bedeutete für mich, ganz bei mir zu sein, in mir zu sein und mit mir sein. Es bedeutete, mir meine Qualen von der Seele zu schreiben, indem ich diese Qualen in andere transformierte und sie von meinen Figuren durchleben ließ. Ein fiktives Universum zu entwerfen, war für mich wie ein seelisches Großreinemachen, eine Art Katharsis, nach der ich mit meinem eigenen Leben weitermachen konnte.
     
    David stand neben mir und nahm mir den Schlüssel aus der Hand. Die Wohnungstür war nur angelehnt.
    Hazel stieß sie auf.
    »Du bleibst hier«, sagte David leise und küsste mich auf die Stirn. Ich ließ es geschehen.
    Ich wartete, während David und Hazel in meiner Wohnung nachsahen.
    Knapp eine Minute später kam David raus.
    »Sieht nicht gut aus«, sagte er. »Aber man kann alles wieder aufräumen.«
    Als ich den Korridor betrat, wurde mir übel. Hazel lehnte in der Tür zu Joseys Zimmer. Sie hatten die Tapeten aufgeschlitzt und in langen Bahnen von den Wänden gezogen. Hazel hielt meinen Arm fest, als ich an ihm vorbei in ihr Zimmer wollte. Ich warf einen Blick hinein. Ihr Federbett war aufgeschlitzt, die Federn lagen über das ganze Zimmer verstreut. Die Spielsachen
lagen kreuz und quer im Zimmer herum. Tränen traten mir in die Augen.
    »Das ist nur eine weitere Drohung«, sagte Hazel. »Sie wollen Sie nur fertig machen.«
    »Ich werde dir Leute aus der Firma vorbeischicken, die das blitzschnell wieder hinbekommen«, sagte David.
    Ich sah ihn durch einen Schleier aus Tränen an. Ich ging in mein Wohnzimmer, das Arbeitszimmer, das Schlafzimmer. Überall der gleiche Anblick. Aufgeschlitzte Polster, aufgeschlitzte Kissen, herabhängende Tapetenstücke.
    Doch sie hatten nichts mitgenommen und weder Geräte noch Möbel beschädigt. Selbst der Strauß für die Beerdigung meiner Mutter stand unversehrt in der Bodenvase, und die Fotoalben lagen auf meinem Schreibtisch.
    Sie hatten mir gezeigt, wozu sie fähig waren und dass sie keine Hindernisse kannten.
    »Pack deine Sachen«, sagte David und reichte mir ein Taschentuch.
    »Hab ich schon«, erwiderte ich. »Für Solthaven, für die Beerdigung.«
    Ich holte meinen Trolley aus dem Schlafzimmer und Joseys Rucksack aus dem Kinderzimmer.
    Hazel nahm mir die Sachen ab, als wir die Wohnung verließen. Ich trug den Strauß für meine Mutter, die Stiele eingewickelt in ein feuchtes Geschirrhandtuch, darüber eine Plastiktüte.
    »Wir fahren jetzt etwas essen. Ich kann sonst kaum mehr klar denken«, sagte David, als wir alle drei wieder in dem BMW saßen. David saß vorn neben Hazel, ich hinten.
    »Ich will jetzt nach Horststätt«, sagte ich. »Wir brauchen mindestens eine Stunde.«
    »McDonald«, sagte David.
    Hazel grinste mich im Rückspiegel an und formte mit den Lippen ein »Bitte«.

    »Okay«, sagte ich. »Aber auf die Schnelle.«
    »McDrive«, sagte Hazel. »Kurz vor der Autobahn.«
    Ich lehnte mich in den Sitz zurück und schloss die Augen.
     
    David und ich hatten einmal miteinander geschlafen, nachdem Kai verunglückt war. Es war ein One-Night-Stand, einer von denen, die man hat, weil man zu verzweifelt ist, um sich gegen sich selbst zu wehren. Es war am Tag von Kais Beerdigung. Claus, David und ein paar Bekannte hatten nach unserer Rückkehr aus Solthaven den Abend in meiner Wohnung verbracht. Gegen halb neun gingen sie alle, bis auf David. Ich brachte Josey ins Bett, und dann redeten wir.
    Er hatte seine Frau verloren, ich meinen Mann. Seine Ehe war bei Claudias Selbstmord längst am Ende gewesen und meine bei Kais Tod ebenfalls. Trotzdem schlug die Trauer mit einer Macht zu, die ich nur schwer erklären kann. Ich hatte Kai geliebt. Ich hatte gedacht, wir würden zusammen alt werden und nichts und niemand könnten uns trennen. Dann trennten uns der Tod unserer Tochter und ein Mord, den ich nicht begangen hatte, statt uns enger zusammenzuschweißen.
    Das Leben spielt manchmal grausame Spiele. Am Tag von Kais Beerdigung schien mir, dass jeder starb oder mich verließ, den ich liebte. Es schien mir so eindeutig und unabwendbar, dass alle meine selbst gezimmerten Abwehrmechanismen in sich zusammenfielen. Ich fand mich in einem Meer der Verzweiflung wieder, und David fing mich auf. Er verstand meinen Verlust, meine Ängste und meine abgrundtiefe Trauer. Er verstand mein schlechtes Gewissen und mein Bedürfnis, mich fallen zu lassen. Er hat mich nicht verführt. Ich habe ihn verführt, und er hat es geschehen lassen. Ich habe es geschehen

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