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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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wir wieder auf die Ausfallstraße fuhren. »Zwei Wagen hinter uns.«
    »Welche Marke?«, fragte David.
    »Schlecht zu sagen, schätzungsweise ein Geländewagen.«
    David sah Hazel an und grinste. »Lass ihn ruhig.«
    Während wir schließlich die Autobahn entlangfuhren, erzählte ich den beiden von dem Ort, zu dem wir gerade unterwegs waren.
    Seitdem ich Jörn Bruchsahl aufgesucht hatte, war ich nie wieder nach Horststätt gefahren. Horststätt war ein kleines Dorf mit einem alten Gut, zu dem der Wasserturm gehörte, in dem man meine Tochter gefangen gehalten hatte. Der Turm lag etwa anderthalb Kilometer südlich von Horststätt entfernt abgeschieden an einer schmalen Straße.
    Ich kannte die Gegend recht gut. Früher hatten Kai und ich im Sommer dort häufig Fahrradtouren unternommen, um danach
in einem der Seen in der Nähe zu schwimmen oder in einem der alten Bauerngasthöfe zu Abend zu essen, bevor wir nach Hamburg zurückfuhren. Wir hatten sie geliebt, diese hügelige Endmoränenlandschaft mit ihren tiefen Wäldern, weiten Feldern und grünen Hügeln. Doch das war in einem anderen Leben.
    Horststätt war ein ehemaliges Gut mit einem eleganten, klassizistischen Herrenhaus, das etwa 1907 erbaut worden war und schon von Weitem strahlend weiß zwischen alten Eichen und Kastanien hervorleuchtete. Es lag erhoben auf einem Hügel, und man erreichte es sowohl über eine schmale Kopfsteinpflasterzufahrt als auch über die ehemaligen Scheunen und Nebengebäude, in denen heute die Feuerwehr untergebracht war und von denen man über eine steile Treppe zum Gutsgelände hinaufstieg.
    Gegründet worden war das Gut schon 1507. Seitdem hatte es eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die vorletzten Besitzer hatten eine Reederei besessen und das Gut 1951 an eine Familie von Weiden verkauft, die dort eine Landwirtschaft betrieb und Pferde züchtete. Vom Gutshaus aus beugte sich die Kopfsteinpflasterstraße hügelabwärts in eine Talmulde. Links und rechts standen, ehemals gebaut für die Angestellten, vielleicht zwei Dutzend Rotklinkerhäuser mit kleinen Vorgärten und etwa 2000 Quadratmeter großen Gärten.
    Hazel fuhr in Bad Oldesloe von der Autobahn ab. Es war kurz vor neun und die Straße wie leergefegt. Wir durchfuhren ein weitläufiges Straßendorf und bogen im nächsten Dorf, nur einen Steinwurf entfernt und bedeutend kleiner, von der Bundesstraße ab. Hazel drückte aufs Gas. Ein Wald verschwamm hinter den Scheiben, ein paar verstreute Häuser und Wiesen zogen an uns vorbei, dann kamen die ersten Felder. Wir näherten uns dem Ort, an dem Johanna ihre letzten Tage verbracht hatte.
    Bei der Erinnerung zog sich mein Herz zu einem zähen Muskelklumpen zusammen, der beängstigend schwer unter meinen Rippen pumpte.

    Nachdem ich Jörn Bruchsahl an jenem verhängnisvollen Februarnachmittag verlassen hatte, war ich zu dem alten Wasserturm gefahren, von dem er mir erzählt hatte. Mit seinem aufgerissenen grauen Zementputz ragte er schon von Weitem so abweisend und kalt in den mattblauen Winterhimmel, dass mich fröstelte.
    Durch die Autofenster zeichnete er sich auch an diesem Abend hinter einer hohen Buchenhecke schwarz und mächtig vor dem dunklen Himmel ab.
    »Halt an! Bitte, halt an!« Viel zu schrill durchschnitt meine Stimme das leise Surren des Motors.
    Hazel trat die Bremse durch. David stützte sich am Armaturenbrett ab, ich hielt mich am Kopfteil des Vordersitzes fest, dennoch flog mein Oberkörper nach vorn, in der Bewegung schmerzhaft aufgefangen durch den Sitzgurt. Dann stand das Auto.
    »Da willst du jetzt nicht rein, oder?«, fragte David und zeigte auf den Turm.
    »Habt ihr eine Taschenlampe?« Ich tat es Mankiewisc nach. Manchmal ist ignorieren die bessere Antwort.
    Hazel nickte und nahm aus der Ablage eine Stablampe.
    »Ich denke, wir haben es eilig«, sagte David.
    Wir stiegen aus. Kühl streifte ein harscher Windstoß mein Gesicht, erfasste mein Haar und strich am Hals entlang. Fröstelnd schloss ich den obersten Knopf meines Mantels.
    Hazels Lampenstrahl beschien einen holprigen, von Unkraut überwucherten Weg, der durch die Hecke zum Turm führte. Hohe Gräser lagen am Boden, vom windgepeitschten Regen der letzten Tage zu einer dichten Matte niedergedrückt.
    »Was soll das?«, fragte David. »Was willst du da?«
    Ich antwortete nicht. Meine Mutter hatte in der Nähe ein Haus gekauft, und das war kein Zufall gewesen. Ich wollte wissen, was sie wusste. Ich wollte sehen, was sie gesehen hatte, denn ich war mir

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