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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Josey folgte mir und setzte sich auf den Wannenrand, wie sie es daheim öfters tat. Allerdings nicht um diese Uhrzeit, und normalerweise hätte ich sie zurück ins Bett geschickt. Doch an diesem Tag war nichts normal, und so ließ ich sie gewähren.
    Ihre Fersen in den roten Bibi-Blocksberg-Hausschuhen berührten die weiße Wannenverkleidung, während sie mir erzählte, dass sie in zwei Wochen zu Svens Geburtstagsfeier ging. Patrizia war mit Mellie bereits vor Tagen in die Stadt gefahren, und sie hatten gemeinsam ein Geschenk ausgesucht. Ein Rasenhockeyspiel mit bunten Holzschlägern und roten, grünen, blauen und gelben Figuren. Ich verteilte mit routinierten, kreisenden Bewegungen die Reinigungslotion auf meinem Gesicht
und lächelte ihr im Spiegel zu, der über dem Waschbecken hing. Sie sah so bezaubernd aus in ihrem roten Schlafanzug mit weißen Margeriten und Gänseblümchen, so unschuldig und frisch wie eine Frühlingsblume.
    Ich wusch die Lotion aus dem Gesicht, trocknete es ab und nahm eine Pinzette aus meiner cremefarbenen Kosmetiktasche, die auf der gläsernen Ablage unter dem Spiegel stand. Der Strahl der Lampe über dem Spiegel fiel auf den Edelstahl der Pinzette und warf kleine Lichtpünktchen zurück, während ich die dunklen Brauenhärchen über dem Augenlid auszupfte und Joseys melodische, helle Kinderstimme den Raum mit Freundlichkeit füllte.
    »Wir müssen also ein Geschenk kaufen«, fasste ich ihren Monolog zusammen.
    Josey baumelte mit den Beinen und nickte eifrig. »Wir können ihm ein dickes Buch schenken.«
    »Liest er denn?«
    »Nein«, sagte sie. »Aber er hat ein Kindermädchen, und das liest ihm vor.«
    »Seine Mama liest ihm nicht vor?«
    »Seine Mama arbeitet doch im Krankenhaus. Deshalb ist sie oft nicht da, und darum hat er ein Kindermädchen.«
    Ich schlüpfte aus meinem Kostüm, zog Bluse und Unterwäsche aus und meinen Schlafanzug an. Die Heizung gab ein paar murmelnde Geräusche von sich, aus dem Schlafzimmer tönte leise Musik aus dem Radio, und Joseys kleine Füße schlugen in einem gleichmäßigen Rhythmus an den Wannenrand, während sie intensiv nachdachte. Ich betrachtete sie. Sie hatte die Augen zusammengekniffen und kaute an der Kuppe ihres Zeigefingers, den sie in den Mund gesteckt hatte. Sie hing so konzentriert ihren Gedanken nach, dass ein zufälliger Beobachter den Eindruck gewinnen mochte, ihr ganzer Körper sei an dem Vorgang beteiligt und würde sich vor Anstrengung gleich aufblähen.

    Ich beugte mich zu ihr und strich ihr über das schimmernde Haar. Seidig und warm streichelte es die Haut meiner Hand.
    »Mama.« Sie sah mich ernsthaft an und schob meine Hand weg. »Ich glaub, ein Buch ist doch nicht so gut.«
    »Weshalb nicht?«
    »Vielleicht hat das Kindermädchen mal keine Zeit zu lesen, und dann erfährt er nicht, wie es weitergeht.«
    »Wir könnten ihm ein Hörbuch schenken«, sagte ich.
    »Ja«, sagte Josey, klatschte vor Begeisterung in die Hände und sprang vom Wannenrand. »Das ist gut!«

19
    »Ich brauche etwas von dir«, sagte ich zu David, kaum dass ich mich an den Frühstückstisch gesetzt hatte.
    Josey saß neben Katharina, die ihr eine Banane in eine Müsli-Schale aus weißem Porzellan schnitt.
    Joseys Pony war noch nass vom Duschen. Sie hatte sich nach dem Aufwachen so sehr auf Katharina gefreut, dass sie nicht abwarten wollte, bis ich ihn trocken geföhnt hatte. Neben ihrem Teller lag Kais Game Boy. Ich hatte ihr ausnahmsweise erlaubt, ihn mit zum Frühstück zu nehmen, weil es durchaus möglich gewesen wäre, dass sie die Erste am Tisch war.
    »Was brauchst du?«, fragte David und zog nervös am Knoten seiner hellblauen Krawatte.
    »Renners Telefonnummer.«
    Seine Augen wurden schmal. »Ich fahr dich hin«, sagte er. »Das haben wir doch alles schon besprochen.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich will allein mit ihm reden.«
    David sah zu Katharina. »Ich kann das respektieren, Clara, aber es ist nicht gut.«
    »Weshalb nicht?«
    »Du wirst dich aufregen.«

    »Er hat mich in den Knast geschickt.«
    »Eben«, sagte David. »Es könnte zu emotional werden. Niemand weiß besser als er, dass die Beweislage eindeutig gegen dich war. Aber er konnte nichts tun.«
    »Woher weißt du das?«
    David schüttelte den Kopf, seine Augen wanderten von mir zu Katharina und zu mir zurück. Ich verstand, Katharina auch.
    »Glaubst du, ich bin nicht erwachsen genug?«, fragte seine Tochter in jenem aufsässigen Ton, den alle Eltern kennen. »Glaubt ihr wirklich immer

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