Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
Vom Netzwerk:
schon heilen. Doch die Zeit heilte nichts, sondern fräste nur unermüdlich weiter an der Wunde in unseren Herzen. Josephine sah aus wie Johanna, und jedes Mal wenn Kai Josey anschaute, sah er seine erste
Tochter, und das ertrug er nicht. Und ich ertrug nicht, dass er es nicht ertrug.
    Manche Menschen flüchten sich in Alkohol, manche in Affären, Kai flüchtete in Streite. Fast zwanghaft brach er einen Streit mit mir vom Zaun, wenn er seinen Schmerz nicht mehr ertrug. Es nutzte mir wenig, dass John Hart Kais Streite mit mir einen Stellvertreterkrieg nannte. Ich hatte weder die Kraft noch die Nerven, jedes Mal ruhig zu bleiben oder ausgleichend und besänftigend auf ihn einzuwirken.
    Ich vermutete jedenfalls, David sah jedes Mal seine Frau Claudia, wenn er Katharina anschaute, auch wenn sie ihrer Mutter kaum ähnelte. Doch allein ihre Existenz gemahnte ihn daran, dass seine Frau sich das Leben genommen und damit die Familie zerstört hatte. David ähnelte Kai darin mehr, als er ahnte. Beide konnten nur weitermachen, wenn sie jemanden ausmachten, dem sie ihren heimlichen Groll über das Schicksal überstülpten wie eine schlecht sitzende Mütze.
     
    Es ist nicht meine Baustelle, redete ich mir ein, auch wenn es mich schmerzte zu sehen, wie Vater und Tochter einander verletzten.
    Im Gästeapartment stellte ich den Teller mit dem Marmeladenbrot auf den Nachttisch, setzte mich aufs Bett und wählte Renners Nummer.
    »Hallo?« Seine Stimme klang tabakrau.
    »Clara Steinfeld«, sagte ich. »Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Winterhuder Weg 44«, sagte Renner ohne jegliche Überraschung in der Stimme.
    »Ich bin in einer halben Stunde da.« Ich legte auf und machte mich auf die Suche nach Katharina und Josey, um ihnen zu sagen, dass ich für eine Stunde wegmüsste.
    Als ich zurück ins Haupthaus ging, traf ich Hazel. Ich fragte ihn, wo Katharinas Zimmer sei, und er brachte mich hin.
    Josey saß neben Katharina auf dem Bett.

    Ich reichte ihr den Teller mit dem Marmeladenbrot, und dann beugte ich mich zu ihr hinab. Ich konnte nichts dagegen tun, ich musste sie küssen. Überall. Auf den Scheitel, den Nacken, die Wange.
    Sie sagte mit dieser ernsten Erwachsenenstimme, ich solle aufhören und sie in Ruhe lassen, sie müsse jetzt essen.
    Ich setzte mich einen Moment neben die beiden auf die Bettkante und sah ihr zu, wie sie das Marmeladenbrot aß.
    Ich erkaufte mir Zeit. Ich wusste es selbst am besten. Ich musste mit Renner reden, doch es war ein schwerer Gang. Um ehrlich zu sein: Es war einer der schwersten, die ich mir vorstellen konnte.
     
    Ich hatte dem Mann vertraut bis zu jenem Moment, als er mich festnahm. Bis zu diesem Augenblick hatte ich ihn für einen fähigen, kompetenten und mitfühlenden Kommissar gehalten. Ich erinnerte mich noch gut an jenen ersten Abend nach Johannas Verschwinden, als Renner bei uns blieb. Als feststand, dass sie entführt worden war, hatten die Plotzers und wir umgehend die Polizei eingeschaltet, auch wenn die Entführer uns davor gewarnt hatten. Wir saßen in einem tristen Zimmer mit beigefarbenem Linoleumfußboden und gelblichen Holzmöbeln im Landeskriminalamt vor einem jungen Polizisten und gaben die Entführung zu Protokoll, als Hauptkommissar Max Renner den Raum betrat. Er war klein und drahtig, und man sah ihm an, dass er zäh und ausdauernd war.
    »Ihr Vater hat mich und Hannes Holbein, den Justizsenator, informiert«, sagte Max Renner, als er David Plotzer die Hand gab. Es hatte mich schon damals nicht verwundert. Seit unseren Recherchen im Oktober 1995 wusste ich, dass Peter Plotzers Kontakte bis weit in die Senatsspitzen reichten.
    Max Renner hatte Kai und mich schließlich in seinem Dienstwagen nach Hause gefahren, wo er auf der Couch saß und uns mit leiser Stimme Mut zusprach, während die Techniker des
Landeskriminalamtes Fangschaltungen, Abhörgeräte und Ähnliches in unserer Telefonanlage installierten. Danach war er ins Büro zurückgefahren und hatte noch in derselben Nacht eine Sonderkommission gebildet.
     
    »Du kannst ruhig gehen«, sagte Josey und schaute mich über das Brot hinweg an. »Katharina passt auf mich auf.«
    Ein Marmeladenklecks hing an ihrer Unterlippe. Ihre kleine rosige Zunge fuhr heraus und wischte ihn mit einer schnellen Bewegung weg.
    Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und verließ das Zimmer.
    Hinter mir perlte das Gelächter der Mädchen durch die Tür.

20
    Eine halbe Stunde später parkte ich Davids BMW in einer zu engen Parklücke, so dass das

Weitere Kostenlose Bücher