Im Zeichen der Angst Roman
jemand auf die Uhr geschaut haben.«
»Frau Steinfeld«, sagte Mankiewisc ruhig. »Wir haben Straßensperren im Umkreis von hundert Kilometern errichten lassen …«
»Sie haben sie entführt, weil sie denken, dass wir mit Ihnen zusammenarbeiten. Und jetzt errichten Sie Straßensperren? Meine Güte! Verstehen Sie denn nicht? Sie bringen Josey damit in Gefahr. Halten Sie es auf. Bitte!!«
Mankiewisc starrte mich einen Moment an. »Nein«, sagte er. »Das werde ich nicht tun. Dass wir dabei waren, wissen die Entführer, Groß und ich waren ja kaum zu übersehen.«
»Und weshalb sitzen Sie jetzt hier und suchen sie nicht?«, fragte ich und hätte auf ihn einschlagen können.
»Wir tun alles, was in unserer Macht steht, auch wenn es Ihnen schwerfällt, das zu glauben. Wir lassen sogar den alten Wasserturm in Horststätt überwachen. Das haben wir sofort veranlasst, die Kollegen aus Lübeck sind seit anderthalb Stunden dort. Es gibt dort eine Art Altar mit dem Ranzen und der Mütze Ihrer ersten Tochter. Wir sind sogar auf ein paar frische Spuren gestoßen. Wir haben sofort die Spurensicherung hingeschickt. Den Fuß - und Fingerabdrücken nach zu urteilen von zwei Männern und einer Frau. Es gab ältere Spuren von zwei weiteren Personen. Wahrscheinlich ebenfalls weiblich. Wir werden sie durch den Computer laufen lassen. Vielleicht bringt uns das weiter.«
»Die neuen, das waren wir drei«, sagte David, bevor ich reagieren konnte, und er erzählte, dass wir in dem Turm waren, bevor wir zum Haus meiner Mutter fuhren.
Mankiewisc hörte ihm zu, die Brauen eng zusammengezogen. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann er losbrüllen würde. Mir war das gleichgültig. Ich war am tiefsten Punkt der Verzweiflung und wünschte mir nichts sehnlicher, als in meine Bewusstlosigkeit zurückzufallen.
»Auch ich will Ihre Tochter lebend zurück«, traf mich seine Stimme überraschend sachlich und leise. »Ich hoffe, das glauben Sie mir. Außerdem habe ich mir schon gedacht, dass es Ihre Spuren sind. Jetzt muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen, okay? Ein paar haben Herr Plotzer und Herr Schweiger bereits beantwortet.«
Ich wollte weder Fragen hören noch Antworten geben. Nicht denken, nicht fühlen, nicht handeln. Ich wusste, was mir bevorstand. Ich kannte dieses endlose Warten, in denen sich die Minuten ziehen und dehnen.
Wenn wir verzweifelt auf etwas warten, auf den ersten Anruf des neuen Geliebten, auf die Diagnose des Arztes oder eben
auf ein Lebenszeichen des entführten Kindes, dann entgleitet die Zeit unserer Kontrolle und entschleunigt sich, als unterwerfe sie sich unseren angstbesetzten Emotionen und nicht mehr dem verlässlichen, berechenbaren Fortschreiten eines Uhrwerks.
Ich konnte mir Beruhigungs - und Schlafmittel geben lassen, ich konnte mich bis zur Bewusstlosigkeit betrinken, wie ich es während Johannas Entführung getan hatte - oder ich konnte mich wehren.
»Beginne mit dem Kleinsten, wenn du das Große nicht ändern kannst«, hörte ich John Harts Stimme in mir.
Ich nahm alle meine Kraft zusammen, all meine Konzentration und meinen ganzen Willen. Mankiewisc meinte es ernst. Er wollte meine Tochter zurückhaben, egal, ob er mich mochte oder nicht. So wie er tat, was hier und jetzt zu tun war, würde auch ich es tun. Ich knüllte die feuchten Tücher in den Händen, als könnten sie mir Kraft und Trost spenden. Meine Knöchel traten weiß hervor, doch ich war bereit.
Ich nickte Mankiewisc zu: »Fragen Sie.«
»Weshalb sind Sie bereits so früh hierhergekommen? Herr Plotzer und Hazel Schweiger wollten Sie nicht allein mit Ihrer Tochter fahren lassen. Sie sollten erst später mit den drei Männern fahren.«
»Ich wollte zum Grab meines Mannes. Ich wollte dort allein hin. Außerdem dachte ich …« Ich starrte auf die Tücher in meiner Hand. »Ich dachte, ich könnte nach all den Jahren vielleicht ein Treffen zwischen meiner Schwiegermutter und ihrer Enkelin arrangieren. Es sind immerhin ihre Großeltern, und ich wollte niemanden dabeihaben.«
Mankiewisc nickte, als hätte er diese Antwort erwartet. »Ihre Schwiegermutter mag Sie nicht besonders.« Es war keine Frage.
»Sie verabscheut mich«, sagte ich und wischte mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Sie glaubt, ich hätte den Tod ihres Sohnes verschuldet.«
»Und noch einiges mehr«, sagte Mankiewisc. »Typisches Schneewittchen-Syndrom, wenn Sie mich fragen. »
»Wie bitte?« Ich glaubte, mich verhört zu haben.
Er versuchte ein Lächeln. »Kennen
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