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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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zu Berge.
    »Sieht so aus«, sagte Mankiewisc. »Und sieht so aus, als sei die Kommunikation in der Familie Plotzer nicht gerade die beste.«
    Ich hätte ihm gern gesagt, dass das nichts zur Sache tut, ließ es aber.
    »Wissen Sie auch, was Frau Metternich von ihrem Bruder wollte?«, fragte ich stattdessen.
    »Sie hat ihn gewarnt.«
    »Wovor?«
    »Vor seinen Arbeitgebern Peter und David Plotzer, deshalb befragen wir ja auch Ihren Vater, und dabei leugnet er auch gar nicht, dass er Frau Steinfeld beobachten lässt. Er behauptet zu ihrem Schutz. Wir haben da so unsere Zweifel.«
    »Das glaube ich einfach nicht«, sagte David ruhig, doch die Ruhe schien zu täuschen. Ich glaubte, ein beunruhigtes Aufflackern in seinen Augen zu bemerken, doch es geschah so schnell, dass ich mir unsicher war, ob ich es wirklich gesehen hatte oder mir nur einbildete.
    »Doch«, sagte Mankiewisc und nickte vor sich hin.
    Mir wurde das Ganze zu viel.
    »Gehen Sie«, sagte ich zu Mankiewisc.
    »Was?«, fragte er überrascht.
    »Gehen Sie.«
    Seine blauen Augen fixierten meinen Blick - und ich hielt ihm stand. Die Ader auf seiner Stirn pulsierte. In ihm arbeitete es, als schaufelte ein Grubenbagger einen Stollen aus. Er kramte erneut in seiner Tasche, zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie mir. Eine Ecke war umgeknickt.
    »Die hab ich schon«, sagte ich. »Sogar mit dieser Ecke.« Ich
wollte sie ihm zurückgeben, doch er ignorierte meine Hand, in der die Karte lag.
    »Behalten Sie sie und rufen Sie mich an, wenn Sie das Krankenhaus morgen verlassen oder einen neuen Anruf bekommen. Sie machen ohne uns keinen Schritt mehr. Wenn doch, setzte ich Sie fest.« Er wandte sich ab. »Groß befragt im Hotel die letzten Zeugen«, sagte er im Hinausgehen, dann schloss sich hinter ihm tatsächlich die Tür.
    Ich riss das Fenster auf. Kalte Luft fuhr über mein Gesicht.
    »Was war das eben?«, fragte ich David.
    Er zuckte mit den Achseln.
    Ich dachte nach.
    »Du auch«, sagte ich. »Geh.« Ich wandte den Kopf zu ihm. David sah mich mindestens ebenso überrascht an wie zuvor Mankiewisc.
    »Lass dir das mit Thomas erklären.«
    »Geh. Bitte«, sagte ich. »Ich muss allein sein.«
    »Er arbeitet seit 20 Jahren für meinen Vater. Er hat mir John bei Claudias erstem Zusammenbruch empfohlen, und sie kannte ihn ohnehin noch vom Studium …«
    »Geh endlich«, unterbrach ich ihn. »Was geht mich das alles an?«
    Diese ganzen Verwicklungen wurden mir zu viel. Ich hatte andere Sorgen als die, ob und wovor eine betrunkene Christine Metternich ihren Stief bruder gewarnt und weshalb sie sich umgebracht hatte.
    »Wenn du mich brauchst, ich bin unten in der Cafeteria«, sagte David.
    Als die Tür hinter ihm zufiel, schloss ich das Fenster, legte mich aufs Bett und zog mir die Decke über den Kopf. Meine Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander, als hätte man mich am nördlichsten Zipfel der Welt ausgesetzt. Die Kälte durchdrang meine Haut und meinen Körper. Sie kam nicht von der frischen Luft, die das Zimmer durchweht hatte.

    Was kümmerte mich der Freitod einer depressiven Alkoholikerin? Hier ging es um meine Tochter, und die lebte, so hoffte ich inständig. Sie musste zu mir zurückkommen. Sie musste einfach. Ich presste mein Gesicht in das Kopf kissen, um das Weinen zu ersticken, das sich seinen Weg laut und hemmungslos durch meine Kehle und meine Stimmbänder bahnte.
    Wenn sie meiner Tochter etwas antaten, würde ich diesen Schmerz nicht noch einmal aushalten. Ich würde mich in eine Welt der Schatten zurückziehen und mich dort auf ewig verlaufen. Ich würde meiner Kraft beraubt sein, meiner Seele entledigt und in der Dunkelheit verlöschen.
    Ich brauchte meine Tochter. Ich brauchte sie mehr, als sie mich je brauchen würde. Sie war der einzige Mensch, in dessen Gegenwart ich immer mehr zu sein schien, als ich war - größer, besser, tapferer, klüger und liebevoller. Aus einem einzigen Grund: Wenn Josey bei mir war, wurde ich alles, was ich nur sein konnte, weil sie es so wollte.
    Als Johanna starb, fragte ich mich, wie ich jemals wieder die Freuden des Alltags genießen und die unbedeutenden Kleinigkeiten lieben sollte, die das Leben schön und lebenswert machen. Einzig Josey hatte dafür gesorgt, dass ich es noch einmal gelernt hatte.
    Ich sah Joseys verschlafenes Lächeln vor mir, als ich sie im Auto geweckt hatte, sie die zarten Finger zu Fäusten ballte und sich die schlaftrunkenen Augen rieb, wie sie es schon als Baby immer getan hatte. Wie sollte

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