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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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an seine Stirn. »Ich werde«, sagte er, »die Botschaft überbringen.«
    Goro nickte zufrieden. Er gab seinen Männern ein Zeichen. Die Krieger rissen ihre Pferde herum und jagten davon, dass die Erdklumpen aufspritzten. Kamakui stieß einen Seufzer aus. Ein Jammer, wirklich ein Jammer, dass der Schwarze Rabe gestorben war. Er ließ den Ring in den Halsbeutel gleiten, in dem er seinen kostbaren Tabak aufzubewahren pflegte. Er wusste, dass die Kotan am Ikoma lagerten. Die Sisamu wagten sich nicht in jene Gegend, deswegen hatte ihm Goro vermutlich diesen Auftrag erteilt. Er hob den Kopf und schnüffelte in die feuchte Luft. Es blieb ihm nur noch wenig Zeit. Bald würde der Sturm losbrechen …
    Â 
    Der Alte lag wie eine nasse, verschrumpelte Eidechse auf dem Lager. Im Fackellicht wirkte seine Haut wie stumpf glänzendes Leder. Seine Füße waren aufgeschürft und blutig; die Kleider hingen ihm in Fetzen am Leib.
    Â»Er hat hohes Fieber«, sagte Kubichi. »Er muss lange durch das Unwetter gelaufen sein.«
    Â»Kennst du ihn?«, fragte Susanoo.
    Kubichi drehte die Hand des Bewusstlosen gegen das Licht und besah sich seinen kupfernen Siegelring. »Er gehört zum Kotan der Krähen.«
    Eine Frau trat in die Hütte. Sie hielt ein hölzernes Gefäß und eine flache Kelle in der Hand. Sie beugte sich über den Alten und flößte ihm eine Flüssigkeit ein. Der Mann zuckte zusammen. Seine Augenlider flackerten. Er verschluckte sich und hustete. Immer mehr Leute traten in die Hütte. Die Luft war stickig. Susanoo fühlte den Rauch in seinen Augen brennen.
    Langsam kam der Alte wieder zu sich. Sein umherschweifender Blick blieb an Kubichi haften. Schwerfällig kamen die Worte über seine blauen, verkrusteten Lippen.
    Â»Herrin der Bären … ich habe eine Botschaft.«
    Seine tastenden Finger nestelten an dem durchnässten Lederbeutel um seinen Hals. Er brachte einen silbernen Ring zum Vorschein, den er in Kubichis Hand legte. Susanoo sah, wie ihr Atem stockte. Sie betrachtete den Ring; richtete dann den Blick wieder auf den Alten, der keuchend und hustend zu sprechen versuchte. Sie stand wie versteinert da, während sich die Ainu in atemloser Bestürzung um das Lager drängten. Den Siegelring hielt sie in der geballten Faust.
    Der Alte unterbrach seine Worte, stöhnte, spuckte Blut. Sein Atem rasselte. Niemand sprach oder bewegte sich. Susanoos Gedanken überstürzten sich. Er spürte die Gefahr wie einen eisigen Hauch auf seiner Haut. Er sah, wie Kubichi sich langsam aus ihrer Erstarrung löste, den Ring zwischen zwei Finger nahm und ihn hochhielt, damit alle ihn sehen konnten.
    Ihr Blick war in weite Ferne gerichtet, und sie sprach mit dumpfer Stimme: »Mein Bruder Karas hat sein irdisches Dasein beendet und steht an der Pforte seiner Himmlischen Heimat.«
    Alle seufzten und beugten die Köpfe. Kubichi fuhr fort: »So werde ich gehen und die Riten an ihm vollziehen, auf dass ihn die Boten des Himmels zu den Göttern geleiten.«
    Ein Kreischen ertönte; schlagartig brach ein Stöhnen, Wimmern und Klagen aus und weitete sich nach draußen aus. Männer und Frauen schlugen sich an die Brust, rissen sich die Haare aus, kratzten sich die Wangen blutig. Im Qualm der Fackeln zuckten gespenstisch Schatten über die Wände, wurden vom Spiel des Lichtes aufgefangen und verzerrt.
    Susanoo stand wie versteinert. Ihm war, als ob das schreiende Durcheinander Raum und Zeit bis in alle Ewigkeit erfüllen würde. Der Geruch nach Schweiß, Talg, Fett und nassen Fellen drehte ihm fast den Magen um. Er riss sich aus seiner Benommenheit wie aus einem Albtraum und brüllte: »Genug!«
    Jäh verstummte das Schreien und Klagen. Die Ainu erstarrten. Susanoo hielt seinen Schwertgriff gepackt. Im Feuerschein glühten seine Augen wie dunkler Karneol.
    Â»Merkt ihr denn nicht«, zischte er, »dass das nur eine Falle ist?«
    Jetzt wurde die Stille so schwer, so lastend, dass nichts und niemand, so schien es ihm, sie wiederbeleben konnte. Aber es war eine feindliche Stille.
    Kubichi stand keuchend vor ihm. Das aufgelöste Haar fiel ihr wirr ins Gesicht und ihre Haut war mit einem leichten Schweißfilm bedeckt. Ihre Züge drückten Befremden aus.
    Da fühlte er sich wie ein Mann, der, zum Tode verurteilt, seine letzten Worte spricht. »Ich bin Susanoo-no-Mikoto, der Herrscher von Izumo«, stieß er

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