Im Zeichen der gruenen Sonne
weil sie aus demselben Teig gemacht waren!«
»… ’ne schöne Geschichte!« Möhre lachte auf.
»Ja, nicht wahr? Daran hab ich vorhin denken müssen, als du zu uns gesprochen hast!«
»Ich weiß eigentlich gar nichts von den Mohammedanern!«
»Da fängt’s schon an!« Karim lachte. »Wir würden uns nie als Mohammedaner bezeichnen – immer nur als Muslime. Mohammed war schließlich ein Prophet und kein Gott. Wir Muslime sagen, dass Mohammed der letzte Prophet Gottes war, nach Jesus, Moses und Abraham!«
»Dann haben Christen und Moslems die gleiche Geschichte?«, wunderte sich Möhre. Sie hatte immer gedacht, zwischen den beiden Religionen lägen Welten.
»Richtig! Wir verstehen uns sozusagen als erweiterte Stufe eurer Religion! Moses ist genauso eine Figur unserer Geschichte wie bei euch!«
»Und was ist dann der Unterschied zwischen den beiden Religionen?«
»So ziemlich alles, das fängt schon bei der Zeitrechnung an. Nach unserem Kalender haben wir jetzt das Jahr 1416! Gerechnet wird ab dem Einzug unseres Propheten in die Stadt Medina, wo er den Islam gründete. Das ist unser Jahr eins.
Dann gibt’s bei uns fünf sogenannte Grundpfeiler. Der erste ist das Glaubensbekenntnis, das du bestimmt schon gehört hast. Dass es keinen Gott gibt außer Allah und so weiter. Der zweite ist, dass wir fünfmal täglich beten müssen. Der dritte ist, dass wir die Armen unterstützen. Der vierte ist, dass wir einmal im Jahr für einen Monat fasten müssen, das ist dann der sogenannte Ramadan. Und der letzte Grundpfeiler ist, dass wir einmal in unserem Leben nach Mekka pilgern sollen!«
»Und … bist du schon in Mekka gewesen?«
»Noch nicht, ich hatte schon dafür gespart, aber Kero-Sin hat mir alles Geld weggenommen! Auch ein Grund, warum ich mitkomme – ich will’s wiederhaben!«
Möhre blickte hoch in die Sterne und zog die Galabiya enger um sich. Seit die Sonne untergegangen war, wehte ein eiskalter Wind. Stumm ritt sie Seite an Seite mit Karim.
»Ist doch verrückt!«, rief sie ihm irgendwann zu. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in der Wüste auf einem Kamel reiten würde und dabei entsetzlich friere!«
»Hier, Möhre! Nimm die Decke!« Karim warf sie Möhre zu, die sich die Decke um die Schultern legte. Das war schon viel besser!
»Danke!«
»El-afu!«
»Was?«
»Das heißt: Bitte! Und Danke heißt: Aschkurak!«
»Also dann: Aschkurak!«
»El-afu! Ich werd doch unsere Anführerin nicht frieren lassen! In der Wüste muss man auf alles gefasst sein! Wusstest du, dass in der Wüste mehr Menschen ertrinken als verdursten?«
Möhre schüttelte den Kopf.
»Weil, wenn’s mal regnet, der ausgetrocknete Boden das Wasser nicht sofort aufnehmen kann und alles oberirdisch abfließt. Das Wasser sammelt sich in alten Flussläufen, sogenannten Wadis, und reißt alles und jeden fort. Das geht so schnell, das glaubt man gar nicht!«
»’n verrückter Ort, die Wüste!«
Möhre kuschelte sich tief in die Decke. Mittlerweile tat ihr der Hintern ganz schön weh. So ein Kamelritt im Galopp war schon nicht ohne.
Er würde die Anführerin doch nicht frieren lassen, hatte er gesagt … Die vertrauen mir wirklich, dachte Möhre, und bei dieser Erkenntnis durchzuckte sie ein kleiner Schreck. Zwanzig erwachsene Männer ritten da hinter ihr her und würden ihr gehorchen. War das nicht viel zu viel Verantwortung für sie allein? Würde sie die Männer überhaupt kontrollieren können? Plötzlich fühlte Möhre sich wieder ganz schwach. Was würde sie tun, wenn sie in Tell el-Amarna waren? Einen Plan hatte sie nicht, und verdammt noch eins – woher sollte sie den auch nehmen? Sie war weder ein General noch Supergirl oder sonst irgendwer – sie war Möhre, eine Vierzehnjährige aus Deutschland, die um diese Zeit normalerweise in irgendeinem Jugendclub herumhopste oder mit ihren Freundinnen Blödsinn machte. Angst stieg in ihr auf. Das hier war kein Spiel, das war bitterer Ernst, und morgen früh würden diese Männer etwas von ihr erwarten, was sie doch niemals erfüllen konnte! Was sie jetzt brauchte, war einen Plan, irgendeinen guten Plan und eine große Portion Mut!
Wiedersehen in luftiger Höhe
Was wir jetzt brauchen, ist ein Plan! Irgendeinen guten Plan! Wenn uns schon der Mut fehlt!«, sagte Pit etwas hoffnungslos.
»Du hast vielleicht keinen Mut – ich schon, und unseren Plan, den find ich klasse!«, antwortete ihr Alex. »Wir schneiden ein Loch in den Zaun, klettern rein, suchen Tom und
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