Im Zeichen der gruenen Sonne
erwachsen?«
Ismael hörte auf zu schlagen. Offenbar überlegte er. »Was soll ich machen? Wenn ich könnte, wäre ich doch schon längst weg, aber so einfach ist das alles nicht … Kero-Sin hat noch verdammt viel vor, der will nicht nur die Macht über das bisschen Wüste hier, nee, er will in ganz Ägypten mitmischen. Südlich von hier ist Assuan, ein riesiger Damm staut einen noch viel riesigeren See auf. Was, glaubst du, passiert, wenn Kero-Sin dem Wasser befiehlt, den Staudamm zu durchbrechen? Das gibt eine Flutwelle bis Kairo! Da werden Millionen ertrinken! Und genau deshalb hat er seine Burg auf einem Berg gebaut! Er hat mich meinen Eltern abgenommen, dafür wird er, wenn’s so weit ist, dem Wasser befehlen, einen Bogen um ihr Haus zu machen! Wenn die Flutwelle alle militärischen Einrichtungen am Nil überspült hat, wird Kero-Sin mithilfe seiner Soldaten das Land übernehmen und sich zum König Ägyptens krönen. So einfach ist das … Er ist schlicht und einfach größenwahnsinnig, kapierst du?«
Tom staunte – eine derart riesige Schweinerei hatte er nicht erwartet. »… und dabei hilfst du ihm auch noch?«
»Was soll ich machen? Wenn ich hier abhaue, versenkt er das Haus meiner Eltern!« Mit Wuttränen in den Augen lief Ismael auf und ab.
»Hatschi!« Tom rappelte sich auf und rieb seine blauen Flecke. Ismael holte Maske und Brille hinter dem Strohballen hervor und warf sie Tom vor die Füße. Dankbar verwandelte sich Tom wieder in das außerirdische Monsterinsekt.
»Es gibt eine Chance!« Tom legte beruhigend seinen Arm um Ismaels Schultern. »Wir sind nämlich nicht allein, weißt du? Ich hab da draußen ein paar Freunde, die das Maschinenteil suchen. Wenn es uns gelingt, sie zu alarmieren, könnten wir gemeinsam versuchen, Kero-Sin das Teil wegzunehmen. Ohne Teil keine Macht! Aber du musst mir helfen zu fliehen! Du hast die Schlüssel und überall Zugang!«
»Was sind das für Typen?«
»Sie sind so alt wie wir, und es sind meine Freunde! Am besten, ich erzähl dir, um was es eigentlich geht. Danach verstehst du entweder alles besser oder überhaupt nichts mehr!«
Ismael setzte sich auf einen Strohballen und hörte Tom zu, der ihm von der Tür in der Wand, von Aurelius Grünspan, Ka-ya, Ka-newa und Kah erzählte. Und Ismaels Augen wurden größer und größer …
Wüstennacht
Abdallah hatte sein Vorhaben wahr gemacht. Als ihm diese schrecklichen Kinder damals vor dem Museum einen Anker auf den Kopf geworfen hatten, hatte er beschlossen, Einsiedler in der Wüste zu werden. Keine nervenden Menschen, keine brüllenden Chefs, keine Kinder – nur der ewige Friede der Wüste. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er etwas, das er nach reiflicher Überlegung als »Glück« bezeichnen konnte. So ganz sicher war er allerdings nicht, da er noch nie so etwas gefühlt hatte und es ihm daher an Vergleichsmöglichkeiten fehlte.
Was macht man als Einsiedler?, lautete die erste Frage, die er sich stellen musste. Er hatte noch nie vorher eingesiedelt – und schon gar nicht in der Wüste. Zuerst setzte er sich in den Sand und starrte vor sich hin. Dann, etwas später, saß er noch immer im Sand und starrte, und noch viel später saß er noch immer starrend da.
Nachdem er fast zwei Tage gesessen und gestarrt hatte, wurde ihm das Ganze doch ein bisschen langweilig. Er fing an, sich eine Feuerstelle zu bauen, suchte und fand etwas Holz, das ihm als Gestell für eine notdürftige Hütte diente, und im Tausch gegen seine alte Kleidung erhielt er von einer Karawane genügend Stoff, um das Gestell zu überspannen und sich obendrein etwas zum Anziehen zu machen. Jetzt hockte er vor seiner Stoffhütte auf dem Boden – im »Partnerlook« mit den Hauswänden. Es war Abend geworden, und er hatte der Sonne beim Untergehen zugeschaut, weil er glaubte, dass dies genau der Job sei, den ein Einsiedler zu tun hatte: der Sonne beim Auf- und Untergehen zuzusehen. Zumindest wirkte es so und weil es schließlich alle machten, die alleine in der Wüste hockten, musste schon irgendwas dran sein.
Da saß er also, starrte in den Sonnenuntergang und gab sich die größte Mühe, wie ein weiser Mann auszusehen, und das, obwohl doch weit und breit niemand zu sehen war, der ihn für weise halten könnte oder den es überhaupt interessierte, was Abdallah da machte.
Eine Fliege umsurrte seinen Kopf, und er nannte sie Yasmina. Es entwickelten sich lange, etwas einseitige Diskussionen mit Yasmina um dies und das, und
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