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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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Yasmina schien ihn in allem zu verstehen, was er so von sich gab. Zumindest war sie das erste Wesen, das ihm nicht widersprach. Gerade als er das Gefühl bekam, Yasmina wolle ihm zur Abwechslung auch mal was erzählen, schreckte sie plötzlich auf und schwirrte nervös surrend aus dem Zelt. Dann spürte auch Abdallah, dass irgendwas nicht stimmte. Plötzlich schien der Boden zu vibrieren, und sein ganzes Zelt wackelte. Ein Donnern war zu hören, das lauter und lauter wurde und schnell näher kam. Abdallah stürzte aus seinem Zelt und starrte in die Nacht. Es war zappenduster, man konnte zum Verrecken nichts erkennen, aber dem Geräusch nach war das eine Herde amoklaufender Elefanten. Plötzlich tauchten sie auf – Kamele, zwanzig Kamele mit bewaffneten Kriegern darauf, galoppierten genau auf sein Zelt zu … und an der Spitze saß – nein, das konnte doch nicht wahr sein – an der Spitze saß dieses schreckliche rothaarige Biest aus Kairo!
    »Warum hasst du mich, warum verfolgst du mich?«, schrie Abdallah gegen das Gedonner der Hufe an, aber das Mädchen schien ihn nicht gehört zu haben. Sein Heim und seine Feuerstelle wurden unter den Hufen der zwanzig Kamele sorgfältig zerbröselt und eingestampft, Abdallah selbst rettete nur ein beherzter Sprung zur Seite. Der Spuk war so schnell vorüber, wie er gekommen war, die Nacht verschluckte die Reiter, und ein heilloses Chaos blieb zurück.
    »Ich werde dich finden! Ich räche mich!«, brüllte Abdallah in die Nacht.
    Selbst die zurückgekehrte Yasmina konnte ihn nicht beruhigen. Abdallah kochte vor Wut – wie sollte er in Frieden weise werden, wenn ihm ständig diese Göre dazwischenfunkte? Vielleicht war es seine Bestimmung, die Welt von dieser Plage zu befreien? Vielleicht war er der Racheengel, der geschickt wurde, dieses rothaarige Monster fünf Fuß tief unter die Erde zu befördern? Ein irres Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Ja, er würde sie finden, und er würde dafür sorgen, dass sie niemandem mehr das Leben schwermachte!
    War da gerade was?, dachte Möhre. Sie war tatsächlich auf dem Rücken des Kamels eingeschlafen. Viel konnte man nicht sehen, zu allen Seiten war nichts als schwärzeste Dunkelheit. Möhre setzte sich auf und zupfte an den Falten ihrer grünen Galabiya. So wie sie von den Kopten den blauen Turban trug, hatte sie von den Moslems eine grüne Galabiya bekommen. Grün, das hatten ihr die Männer in der Oase erzählt, war die Farbe des Propheten. Ihre Kleidung war jetzt eine koptisch-islamische Mischung, genau richtig also. Auf dem Kamel neben ihr ritt ein junger Beduine. Sein Turban und seine Galabiya flatterten im Wind. In der einen Hand hielt er die Zügel, in der anderen ein altes Gewehr, einen Vorderlader. Jetzt bemerkte er, dass Möhre ihn betrachtete, und er lächelte ihr zu.
    »Es-salamu-alekum!«
    Möhre lächelte zurück und zuckte mit den Schultern. Sie verstand ihn nicht.
    »Es-salamu-alekum! Das heißt: Hallo!«, erklärte der Beduine. »Und du musst darauf antworten: Alekum es-salam!«
    »Alekum es-salam!«, wiederholte Möhre folgsam.
    »Ich bin Karim!«, stellte sich der Reiter vor.
    »Myriam!«, sagte Möhre. »Aber du kannst Möhre zu mir sagen!«
    »Weißt du, was du vorhin gesagt hast, dass nämlich jeder seinen eigenen Glauben hat, dass ihm niemand da reinreden sollte und dass wir eigentlich doch alle gleich sind, egal ob schwarz, weiß oder gelb. Das war super! Dazu gibt’s ’ne Geschichte, willst du sie hören?«
    Klar wollte Möhre sie hören, für Geschichten hatte sie immer ein offenes Ohr.

    »Als der Schöpfer den Menschen erschuf«, fing Karim an, »da machte er aus Lehm drei Formen. Alle waren genau gleich. Jetzt musste er sie nur noch in seinem großen Ofen backen. Er legte sie hinein und schürte ein großes Feuer darunter. Dann wartete er, dass sie gar würden. Doch das dauerte lange, und bald schon schlief der Schöpfer ein. Als er erwachte, wusste er nicht, wie lange er geschlafen hatte. Er riss die Ofentür auf und holte die erste Menschenform heraus. Aber sie war noch nicht verbrannt, im Gegenteil, sie war noch ganz weiß. Und die wurde der Stammvater aller Weißen. Die zweite Form war schon ein bisschen länger drin und hatte etwas Farbe bekommen. Goldgelb holte er sie aus dem Ofen hervor, und die wurde der Stammvater aller Asiaten. Die dritte Form schließlich war ganz schwarz. Und die wurde der Vater aller Schwarzen. Alle drei sahen anders aus – aber sie waren innerlich genau gleich,

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