Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
Nacht einer Hochzeit ein Kind zu empfangen – ob nun ein eigenes oder das von jemandem anders.“ Filip sah ihren Bauch an, und sie fügte hinzu: „Wir werden heute Nacht keines bekommen. Ich nehme schon seit Monaten den Samen der wilden Möhre.“
„Warum?“
„Ich war nicht in der Verfassung, ein Kind zu bekommen. Selbst jetzt will ich lieber warten, bis wir ein Zuhause haben, wo wir es in Frieden aufziehen können.“ Nachdenklich runzelte sie die Stirn. „Ich weiß nicht, ob dieser Tag jemals kommen wird.“
„Machen wir uns um den Tag keine Gedanken.“ Er griff nach dem Teller mit Brot und Obst, der hinter ihr stand. „Besiegeln wir lieber unsere Hochzeit.“
Sie tranken genug Wein und fütterten einander, bis ihre Mägen gefüllt waren und ihre Lider vor Müdigkeit schwer wurden. Dann liebten sie sich noch einmal und ließen sich stundenlang Zeit, jeden einzelnen Fleck ihrer Körper genussvoll zu erkunden.
Alanka schlief in Filips Armen ein und fühlte sich zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, vollkommen zufrieden. Endlich hatte sie ihren Geist und ihren Geliebten bei sich. Am folgenden Tag würden sie sich wieder der Mission zuwenden, mit mehr Kraft und Ausdauer als je zuvor.
Aber in dieser Nacht wollte sie sich ausruhen.
35. KAPITEL
M arek ging hinter Basha her, den Blick fest auf die grauen Steine unter seinen Füßen gerichtet. Er bemerkte kaum, wie die Menschenmenge auf dem Markt sich um ihn herumbewegte. Sie war größer als üblich an diesem Feiertag, der einem Gott zu Ehren zelebriert wurde, den es nur gab, um die Tempel zu bereichern. Zwei Wachen blieben dicht neben ihm. Die kurzen Schwerter an ihren Gürteln löschten jeden Gedanken an Flucht, den er noch haben mochte, aus.
Er spürte die heiße Mittagssonne auf seinem Nacken, dessen unterer Teil jetzt nackt war. Basha wollte, dass er sich die Haare wieder wachsen ließ. Er wünschte sich ein Messer, um es kurz zu schneiden, auch wenn er sich nicht mehr sicher war, ob er nur seine Haare damit stutzen wollte.
Nilik brabbelte im Kinderwagen vor sich hin, der von Petrop geschoben wurde. Basha lachte begeistert. „Demedor, du liebst das Bad in der Menge, genau wie deine Mutter.“
Marek verspürte einen weiteren Stich der Verzweiflung. In den letzten Tagen hatte er wenig geschlafen und gegessen. Sein Körper schien gegen sich selbst zu rebellieren, vielleicht als Strafe für die Dinge, die er mit Basha getan hatte.
Er sah ihre bestickten Stiefel neben seinen Füßen. Sie nahm seine Hand und drückte eine Münze hinein.
„Marek, hol mir eines dieser ausgebackenen Brote mit den Früchten.“ Sie sah ihm ins Gesicht und schnalzte mit dir Zunge. „Hol dir selber auch eines. Du siehst aus wie ein Skelett. Die Leute werden reden.“ Sie sah ihre Wachen an. „Geht mit ihm.“
Die Schlange vor dem Stand mit gebackenem Brot war endlos. Marek hatte sich auf diese Leckerei immer besonders gefreut, wenn er das Mitsommerfest in Velekos besucht hatte. Aber jetzt drehte sich ihm der Magen um bei dem Gedanken an süßes ölgetränktes Mehl.
Während er wartete, spielte er mit seinen neuen Gaben. Fuchs hatte ihn unter seine Fittiche genommen, sein Gehörund seine Nachtsicht verstärkt, seinen Geruchssinn aber nicht so geschärft wie den eines Wolfes. Er fragte sich, ob er auch die Fuchsgabe der zweiten Phase hatte – Tarnung. Mit ihr würde er mit dem Hintergrund verschmelzen, wenn er sich nicht bewegte. Oder musste er wieder in der ersten Phase beginnen? Kein Mitglied seines Volkes hatte je in der Mitte des Lebens den Geist gewechselt.
Er konnte seine Tarnung nicht ausprobieren, weil er nie allein war, nicht einmal zum Baden oder um sich zu erleichtern. Basha sagte, er war so wertvoll, dass jemand versuchen könnte, ihn zu stehlen oder ihm Schaden zuzufügen. Er fragte sich, ob sie spürte, dass er selbst die größte Bedrohung für sein eigenes Leben darstellte.
Wenn Fuchs nicht wäre, hätte er bereits einen Weg gefunden, dem Ganzen ein Ende zu machen. Selbst für seinen Sohn wollte er nicht mehr am Leben bleiben. Sobald Nilik das Alter erreichte, in dem er verstehen konnte, wer sein echter Vater war, würde man Marek fortschicken oder ihn umbringen. Basha konnte nicht riskieren, dass er seinem Sohn erzählte, wer er wirklich war. Das würde ihr Experiment zunichtemachen.
Ein Wolf hätte den edlen Weg gewählt, wäre lieber gestorben, als seine geliebte Frau zu hintergehen, hätte der Ehre vor seinem eigenen Leben den Vorzug
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