Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
und als sie mit ihm fertig gewesen war, war er in sein Quartier geflohen, um sich zu übergeben. Er wünschte, die Folterknechte würden ihn auspeitschen und damit jeden Fetzen seiner Haut ablösen, der nach Basha roch.
Marek starrte das Fenster an und wartete auf das Licht des Tages und die Befreiung, die es mit sich bringen würde.
Bei Sonnenaufgang wurde Marek von Petrop wachgerüttelt. „Geh zu ihr“, sagte er so knapp wie immer.
Marek beeilte sich, sich anzuziehen, und folgte dem Diener dann durch das große Haus bis in den Hauptflügel. Als er denoberen Treppenabsatz erreicht hatte, hörte er Basha weinen.
„Was ist los?“, fragte er Petrop, der nicht antwortete.
Die Tür zu Niliks Zimmer stand offen. Es drangen keine Geräusche daraus hervor. Marek rannte in das Zimmer, ohne die Rufe seiner Wachen zu beachten.
Er rannte zur Krippe und sah hinein.
Sie war leer.
„Wo ist er?“ Er versuchte seine Panik im Zaum zu halten. Vielleicht hatte die Amme Nilik genommen, um ihn zu füttern oder zu baden.
„Marek!“, kreischte Basha aus dem Korridor. Sie kam in Niliks Zimmer geeilt. Ihr Gesicht war nass vor Tränen. „Marek, sie haben ihn mitgenommen.“
„Was? Wer?“ Vielleicht hatten die Asermonier Nilik schon gerettet. „Entführer?“
„Nein, die Armee.“ Sie krallte die Finger in sein Hemd. „Sie haben ihn mir weggenommen.“
„Welche Armee? Ich verstehe das alles nicht.“
„Sie haben ihn mir weggenommen.“ Sie stieß noch mehr Worte aus, aber sie verloren sich in ihrem Schluchzen, und er verstand immer nur „mein Kind“.
Basha drückte ihr nasses Gesicht gegen Mareks Brust. Wie benommen schloss er die Arme um ihren Rücken. Das konnte nicht wahr sein. Er hatte schon schlimmere Albträume gehabt. Auch von diesem würde er bald erwachen.
Sie löste sich von ihm und drehte sich zu den Wachen um, die peinlich berührt an der Tür standen. „Lasst uns allein.“
Sie zögerten. Petrop trat aus dem Korridor auf sie zu. „Euer Ehren, haltet Ihr das wirklich für klug?“
„Lasst uns allein!“
Der Diener scheuchte die zwei Wachen aus dem Zimmer, ließ die Tür aber offen. Basha ging ihm eilig hinterher, schlug die Tür zu und verriegelte sie.
„Was ist passiert?“ Mareks Herz hämmerte gegen seine Rippen.
Sie nahm ein weißes Tuch von einem kleinen Tisch neben derTür und wischte sich damit die Augen. „Sie haben gesagt, sie mussten ihn mitnehmen.“ Sie stieß einen weiteren Schluchzer aus und schluckte. „In die Wildnis, damit seine Gaben wachsen können, wenn er älter wird. Sie haben gesagt, die Stadt ist nicht der richtige Ort für so ein Experiment.“
Mareks Herz setzte einen Schlag aus. „Dann ist er für immer fort? Er kommt nie zurück?“
„Sie haben ein Lager für alle Kinder eingerichtet, im Westen, bei Surnos. Sie erziehen sie dort als treue Ilioner und wollen sie als magische Streitkraft benutzen, um euer Volk zu erobern.“ Erneut wischte sie sich mit dem Tuch über die Wangen. „Es war meine Idee. Ich habe mich für so klug gehalten. Wie konnte ich wissen, dass sie mir meinen eigenen Sohn wegnehmen?“
Er klammerte sich an ein letztes Fünkchen Hoffnung. „Wenn Ihr mich mit ihnen gehen lasst, passe ich für Euch auf ihn auf. Ihr wisst, dass er bei mir sicher aufgehoben und glücklich ist.“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie sind vor Sonnenaufgang aufgebrochen. Du könntest sowieso nicht mitgehen. Sie wollen nicht, dass die Kinder von deinem Volk beeinflusst werden.“
Er ließ sich auf die Fensterbank sinken, nahm eines von Niliks Stofftieren in den Schoß und klammerte sich daran fest. Seine Brust hob und senkte sich, als würde sie in zwei Teile gerissen.
„Was können wir tun?“, presste er hervor.
„Nichts.“ Ihre Stimme wurde leise. „Es tut mir so leid, Marek.“
Er sah zu ihr auf. Diese Worte hatte sie noch nie zu ihm gesagt.
Jetzt war es auch egal. Nichts hatte mehr Bedeutung. Selbst wenn man ihn rettete, er hatte sein Versprechen, das er Rhia gegeben hatte, gebrochen. Sie konnten nicht ohne ihren Sohn nach Hause zurückkehren.
Aber wenn er flüchtete, konnten sie die Kinder vielleicht rechtzeitig finden, wenn sie herausfanden, wo sie suchen mussten. Auch wenn es sein Herz in Stücke riss, er musste einen kühlen Kopf bewahren und behutsam Fragen stellen.
„Wie ist es dort, in …“
„Surnos?“ Sie schniefte. „Eine dumme kleine Stadt, umgeben von Wald und Bergen und diesen nutzlosen Dingen. Genau die Art Ort, wo solche wie du
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