Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
dünnen Lippen des Mannes verzogen sich, als er Filip ansah, dem plötzlich klar wurde, wie sehr ihn das Opium geschwächt hatte.
„Sie haben hier Zuflucht“, sagte Zelia, „bis Galen und der Rest des Rates beschließen, was wir mit ihnen machen.“
„Wie wäre es damit – wir binden ihnen Steine an die Knöchel und werfen sie in den Fluss.“
„Und wer bist du?“
„Adrek der Puma. Ich komme aus Kalindos, um Bericht von der letzten Gräueltat der Nachfahren zu überbringen.“
Schon wieder dieser Name – Nachfahren. Filip sehnte sich nach einem Dolch, um dem Mann das Wort aus der Kehle zu schneiden.
Zelia stemmte die Hände in ihre Hüften. „Du bist hier falsch, Adrek. Du solltest Galen Bericht erstatten.“
„Das habe ich. Er hat mir gesagt, du hältst den Feind hier versteckt und dass ich mit einem von denen reden kann.“
„Ich verstecke den Feind nicht, ich behandle Patienten.“ Sie stellte sich breitbeiniger vor Filips Bett auf, um ihn zu schützen.
Adrek betrachtete sie ernst. „Sie sind vor vier Nächten nach Kalindos gekommen. Haben unsere Ältesten getötet. Haben meinen Vater getötet. Haben alle anderen entführt.“ Nur mühsam konnte er sich beherrschen. „Einhundertsiebzig Menschen, verschwunden, mitten in der Nacht.“
Filip brannte das Gesicht, und das wegen seines Fiebers. Er hatte von Kalindos gehört – die Aufklärer seiner Armee hatten es als winziges wertloses Dorf im Wald beschrieben, das kaum Verteidigung brauchte. Es gab nichts zu erobern, nichts zu stehlen. Nichts als Menschen. Filips Kommandant war so brutal, wie er unfähig war, und hatte jetzt ganz Ilios Scham und Unehre bereitet.
Zelia sah beide Männer erstaunt an, und dann wandte sie sich an Adrek. „Warum sollten die Nachfahren euer Dorf angreifen?“
„Weil wir euch geholfen haben, die Schlacht gegen sie zu gewinnen. Wie sich herausstellte, war das ein großer Fehler.“
„Wie dem auch sei, ich lasse nicht zu, dass du einem meiner Patienten schadest.“
Filip wollte fast lachen. Sie konnte diesen Adrek nicht davonabhalten, ihn umzubringen, und sie sollte es auch nicht versuchen. Lieber durch die Hand des Feindes sterben als mit einundzwanzig wie ein alter Mann leben.
Adrek umrundete Zelia und zog einen kleinen Lederbeutel hervor. Ehe sie ihn aufhalten konnte, hatte er ihn auf Filip ausgeleert. Mehrere kleine Metallstücke rollten auf den Boden. „Was sind das für Dinger?“
Er musste seine Hand zwingen, nicht zu zittern, als er das steife gelbrote Band nahm, das auf seiner Brust lag. Es schien wie ein Andenken an eine längst verlorene Welt. „Das ist nichts“, flüsterte er.
„Nichts?“ Adrek sammelte die Teile auf, die auf den Boden gefallen waren, und warf sie Filip in den Schoß. „Dein Volk hat sie verloren, als es die Bewohner meines Dorfes abgeschlachtet hat. Die gehören an Uniformen, richtig? Sie sind nicht nichts.“
„So habe ich es nicht gemeint.“ Subtilität war nicht die Stärke von diesem Kerl. „Ja, du hast recht. Sie zeigen Rang und Ehre an, und“, er schloss die Finger um das Band, obwohl er es am liebsten weggeworfen hätte, „sie zeigen, wohin man gehört.“
„Also, wo gehören sie hin? Wo können wir sie finden?“
Filip sah sich die Medaillen und Rangabzeichen an, bis er einen silbernen Knopf von der Art fand, wie sie außen an den Ärmeln der Soldaten verwendet wurden. „Zweites Bataillon.“ Verächtlich verzog er das Gesicht. „Nicht meines.“ Er warf das Band zu Adrek, der es aus der Luft fing.
„Aber du weißt, wo sie stationiert sind, richtig?“, wollte er wissen.
Filip wandte den Kopf ab und sagte nichts.
„Sie haben meine Tochter entführt …“ Adreks Stimme brach. „Wo ist sie?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Du weißt, woher diese Soldaten stammen.“
„Irgendwo aus der Nähe von Leukos.“
„Das weiß ich bereits! Woher genau?“
Filip starrte eine Spinnwebe an der Decke an. „Ich war imersten Bataillon. Wir hätten uns nicht um wehrlose unwichtige Kreaturen wie euch geschert.“
Adrek hielt den Knopf hoch. „Diese Männer haben sich geschert. Wo sind sie stationiert?“
Filip rieb das Abzeichen zwischen seinen Fingern und überlegte sich, wie wenig Ehre ihm noch blieb. „Östlich von Leukos, nicht weit von dort. Aber sie werden die Gefangenen in die Stadt bringen und ihnen dort den Prozess machen. Vielleicht bringt man sie überhaupt nicht ins Lager.“
„Was machen sie mit ihr?“
Filip brauchte einen
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