Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
andere Art als bei der Verteidigung zu helfen. Selbst diese Hilfe diente nur seinem Selbstschutz, redete er sich ein. Wenn Ilios in Asermos einfiel, konnte Filip nirgends mehr wohnen.
„Ich nehme an, du hast recht“, sagte Bolan. „Arma versucht unseren Jagdfalken beizubringen, lange Strecken zu fliegen, aber selbst ihre Pferdemagie der dritten Phase kommt gegen die Instinkte der Tiere nicht an.“
Aus dem Augenwinkel bemerkte Filip, wie Galen ihn genau musterte. Wenn er sich nicht wegen irgendeiner Aufgabe auf der Farm herausredete, würde der Falke ihn einer weiteren Runde der Befragung unterziehen. Galen schien Filip und seine verborgene Magie als ein Rätsel anzusehen, dessen Lösung der Schlüssel zum Überleben seines Volkes war.
„Die Pferde müssen getränkt werden.“ Filip nahm den Eimer und ging zur Pumpe. „Lasst einen von den velekonischen Vögeln fliegen, wenn ihr wollt.“
„Warte“, sagte Galen.
Filip blieb stehen. Er zuckte zusammen, nicht nur, weil bei raschen Bewegungen die Prothese an seinem Schenkel scheuerte. „Was ist?“
„Hast du schon eine Entscheidung wegen deiner Weihung getroffen?“
Er zögerte. „Ja.“
„Ja, du wirst gehen?“ Galen klang überrascht.
„Ja, ich habe mich entschieden. Ich habe mich entschieden, es nicht zu tun.“ Er ging zur Pumpe und hörte, dass Galen ihm folgte.
„Während der Weihung“, sagte der Falke, „gewährt der Geist Pferd dir deine vollen Gaben.“
„Ich habe schon versucht, es ihm zu erklären“, rief Bolan.
„Ich will nicht noch mehr Gaben“, stieß Filip hervor. „Was ich habe, ist schlimm genug.“
„Die Weihung hilft dir dabei, sie zu kontrollieren.“ Galen holte ihn ein – was einfach war. „Es ist, als zähmte man ein wildes Jungpferd. All seine Geschwindigkeit und seine Kraftsind kaum etwas wert, solange man es nicht zügeln kann. Die Weihung gibt dir die Zügel in die Hand.“
Filip antwortete nicht. Er wollte seine Gaben besser kontrollieren können, aber die Weihung hatte noch andere, nicht annehmbare Folgen.
„Wenn du dich dem Ritual unterziehst“, erklärte Galen, „wirst du einer von uns.“
„Genau.“
Galen blieb stehen, und Filip ging weiter.
Rhia und ihre Familie kamen an eine Gabelung geritten. Einer der Pfade führte den Berg hinauf. Tereus drehte sich zu ihr um. „Willst du zuerst nach Hause oder dich gleich von Silina untersuchen lassen?“
„Nach Hause“, antwortete sie, und im selben Augenblick hörte sie eine Stimme hinter sich sagen: „Silina.“
Sie drehte sich um und warf Marek, der sie noch immer festhielt, einen finsteren Blick zu. „Ich werde nicht in die Stadt reiten, so wie ich aussehe.“
„Du siehst gut aus.“
„Dann eben nicht, so wie ich rieche.“
Sie ritten weiter den Hügel hinauf. Als sie sich der Farm ihrer Familie näherten, schienen die hügeligen sonnengetränkten Felder sie willkommen zu heißen. Sie konnte beinah das Heu riechen und hörte das melodische Zwitschern der rot geflügelten Drosseln.
Als die Wälder sich endlich lichteten, konnte sie das kleine Bauernhaus und die Weiden darunter sehen. Die Ponys waren an einer Seite des Gatters versammelt, wo sich die Tränke befand. Eine Gestalt ging unsicher auf sie zu, zwei Eimer in den Händen.
„Ist das Filip?“, fragte Rhia ihren Vater.
„Das ist er.“ Tereus betrachtete die Farm von ihrem Aussichtspunkt auf dem Hügel. „Hier steht noch ein Stein auf dem anderen.“ Er drehte sich zu seinem Stiefsohn um. „Ich habe dir doch gesagt, wir können ihm vertrauen.“
Lycas zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich hat er den Hunden beigebracht, uns anzugreifen, wenn wir ihnen zu nahe kommen.“
Sie ritten auf das Gatter zu. Der Nachfahre mit den sandfarbenen Haaren grüßte sie mit einem Nicken, während er die Wassereimer in die Tränke leerte. Rhia spürte, wie Mareks Arme sich fester um ihre Taille schlossen.
Tereus hielt sein Pony neben dem Gatter an und glitt aus dem Sattel. „Filip, sei gegrüßt. Das sind meine Tochter Rhia und ihr Ehemann Marek.“
Filip setzte zu einer Verbeugung an, erstarrte jedoch, als er Rhia erkannte.
„Du hast mir Wasser gegeben“, sagte er.
„Bitte was?“
„Nach der Schlacht, im Zelt der Heiler. Wir haben uns unterhalten.“ Er wandte den Blick ab und fuhr mit den Fingern über den Saum seines Mantels. „Ich bereue einige meiner Worte.“
Langsam dämmerte es Rhia. „Aber damals warst du nicht … das heißt, du hattest …“
„Zwei Beine?“
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