Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
nach dem anderen zu ihr und umarmten sie schweigend. Arcas hatte darauf bestanden, sich ihnen anzuschließen, denn auch wenn er sich als Spinne herausgestellt hatte, war er sein ganzes Leben lang ausgebildet worden, ein Bär zu sein, und konnte deshalb fast ebenso gut mit einem Schwert umgehen wie ein geborener Krieger. Koli der Fledermaus gehörte das Boot, das sie nach Velekos bringen sollte. Ihre Fähigkeit, sich zu tarnen, ihre Erfahrung im Spurenlesen und ihr empfindliches Gehör würden ihnen dabei behilflich sein, Informationen zu sammeln. Sie war auch die schnellste Reiterin, die Rhia kannte. Bolan kam ebenfalls mit ihnen und nahm Tauben mit, die zurück nach Asermos fliegen konnten, falls die Truppe im Notfall eine Nachricht schicken musste.Und schließlich noch Alanka, deren Fähigkeit mit dem Bogen ihresgleichen suchte. Sie würde auf der Reise nach Nahrung jagen und helfen, Angreifer abzuwehren.
Damen winkte Rhia vom Scheiterhaufen her zu. Als sie zu ihm trat, ließ er seine dunklen Augen zu den schweren Wolken wandern. „Alles ist bereit“, sagte er, „solange das Wetter mitmacht.“
Sie nahm seine weiße Zeremonienrobe, die auf dem Scheiterhaufen gelegen hatte, und hielt sie ihm so hin, dass er die Arme hineinstecken konnte. An ihren Ärmeln befanden sich zwei Reihen Krähenfedern.
Er drehte sich um, damit Rhia die Robe an seinem Rücken schließen konnte. „Ich werde sie vermissen.“ Seine Stimme war flach, als beobachtete er seine Gefühle nur, statt sie zu empfinden. „Sie war eine gute Freundin.“
„Sie hat sich für mich nie wie eine Freundin angefühlt“, erwiderte Rhia. „Eher wie eine Mutter, auch wenn sie ganz anders als meine richtige Mutter war.“
„Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.“
„Warum?“
„Sie hat gesagt, du könntest eine der mächtigsten Krähen seit langer Zeit werden, wenn du dich nur an die Regeln hieltest.“
„Anstatt mir meine eigenen Gedanken zu machen.“
„So einfach ist es nie. Das wirst du verstehen, wenn du älter bist. Du kannst die Welt nicht so formen, wie du sie gerne hättest.“
Rhias Lippen verzogen sich. Sie wollte ihn ohrfeigen. „Das lerne ich gerade sehr ausgiebig, danke.“
Er schwieg einen Augenblick, vielleicht weil ihm klar wurde, wie unbedacht seine Bemerkung gewesen war. „Ich glaube, mehr als alles andere wollte sie, dass du ihr vertraust.“
„Was ich nie getan habe, nicht vollkommen. Jetzt ist es zu spät.“ Sie wandte sich dem Scheiterhaufen zu. „Wie bist du gestorben?“
Die Frage schien ihn zu erstaunen. „Darüber habe ich noch nie mit jemandem gesprochen.“
Sie wartete und nahm die Frage nicht zurück.
Er berührte den Griff von einer der Fackeln. „Ich bin erfroren.“
„Ich auch.“
Er nickte. „Aber du bist aufgetaut.“
Sie sah zu, wie die Flamme vor den dunklen Wolken flackerte. „Vielleicht war mir das nie beschieden.“
Rhia stand bei ihrer Familie und lauschte Damens Trauerrede.
„Danke, dass ihr heute gekommen seid, um euch von einer Frau zu verabschieden, der die meisten von euch nie begegnet sind. Ihr ehrt Corannas Geist mit eurer Anwesenheit.“ Er hielt inne. „Die Gabe der Krähe ist eine der seltensten. Wie die meisten Krähen der dritten Phase hatte Coranna niemanden, von dem sie lernen konnte, bis auf ihren Geist selbst. Nur wenige haben sich so pedantisch an die Prinzipien ihres Geistes gehalten wie sie. Kalindos – ja, die ganze Welt – hat einen ihrer wertvollsten Bewohner verloren.“
Damen blickte zu Rhia. Sie sollte etwas über die Person Coranna sagen und trat vor. „Viele von uns fanden es schwer, nahe an Coranna heranzukommen. Sie hat so getan, als wäre sie stolz auf die Distanz zwischen sich und anderen. Sie hat gesagt, es wäre der einzige Weg, die Pflicht der Krähe zu erfüllen. So zu tun, als wäre es uns egal, als empfänden wir kein Leid. Ich denke, sie hat gelitten.“ Rhias Kehle schmerzte. „Ich weiß, dass sie etwas empfunden hat. Es war ihr so wichtig, das Richtige zu tun, dass sie ihre eigenen Gefühle tief in sich vergraben hat. Sie hat es nicht aus Stolz getan, sondern aus Liebe.“
Statt zurück in die Menge zu treten, schloss Rhia sich Damen am Scheiterhaufen an, um Corannas Seele durch einen Gesang Geleit zu geben.
Es war eine erhabene Melodie, die andauern würde, bis wenigstens eine Krähe auftauchte, krähte und wieder davonflog, um den Übergang von Corannas Seele auf die andere Seite zu symbolisieren.
Sie tauchte schnell auf, weil sie
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