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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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Präsident des Komitees, alarmiert: »Das Komitee hielt seine letzte Stunde für gekommen.« Aus Sorge, dass Dunants Ruin auch das Hilfswerk kompromittieren würde, drängt er ihn, als Mitglied und Sekretär des Komitees zurückzutreten. Am 25. August 1867 kommt Dunant dieser Forderung nach – und hört für das Internationale Komitee fortan auf zu existieren.
    Diese rigorose Abwendung und das scheinbare Fehlen jeglichen Mitgefühls haben Gustave Moynier die Sympathien der Biographen gekostet. Das Scheitern des Angebots von Napoleon III., die Hälfte von Dunants Schulden zu übernehmen, sofern seine Freunde für den Rest aufkämen, ist möglicherweise ebenfalls auf Moyniers Widerstand zurückzuführen. Doch dessen Sorge, die Öffentlichkeit könne den Skandal um die Person Dunants nicht vom Roten Kreuz trennen und die Organisation ernsthaften Schaden nehmen, ist verständlich. Zudem sieht er die Gefahr einer Spaltung der Bewegung, da Dunant in der Folge versucht, immer wieder neue humanitäre Gesellschaften zu gründen.
    Für Dunant bleiben der Bankrott und der Rauswurf aus dem Komitee nicht die einzigen Schicksalsschläge. Im Jahr 1868 stirbt seine Mutter, mit der ihn eine enge, treusorgende Beziehung verbunden hat. Er kann nicht einmal ihrer Beerdigung beiwohnen. Von diesem dreifachen Schlag wird er sich nie wieder erholen. Ein akuter körperlicher Zusammenbruch wirft ihn nieder, danach schleichen sich chronische seelische Schäden ein. Schwermut, Verfolgungsängste, Wahnvorstellungen. Er hat keine dauerhafte Bleibe und lebt zeitweise wie ein Clochard. Während das Rote Kreuz immer mehr Anhänger findet, versinkt sein Erfinder in Einsamkeit.
    »Ein nie enden wollender Klagelaut«
    1868 haben fast alle europäischen Staaten das Genfer Abkommen unterzeichnet. Im gleichen Jahr ruft im Osmanischen Reich ein gewisser Abdullah Bey – »ehemals Dr. Hammerschmidt«, ein Wiener Arzt in Konstantinopel – die nationale Hilfsgesellschaft ins Leben. Zehn der gut fünfzig Mitglieder des türkischen Vereins sind Frauen. Wie Gustave Moynier befriedigt hochrechnet, stünden nun im Ernstfall 200 Millionen Seelen unter dem Schutz der Konvention.
    Auf einer Leistungsschau in Paris zeigen die Vereine eigene Entwicklungen: eine portugiesische Tragesänfte, ein italienisches Gurtbett, einen amerikanischen Feldoperationstisch, einen französischen Pferdeomnibus für Verwundete. 1869 schließt sich in Berlin eine internationale Konferenz an. Ein Hauptthema ist die Gewichtung von militärischen und zivilen Aufgaben. Vertritt Pastor Hahn anfangs noch die Meinung, dass die Hilfsvereine »während des Friedens wohl keine bestimmte Tätigkeit hätten«, fordert etwa Rudolf Virchow, der berühmte Pathologe und engagierte Liberale, »den vollen Einsatz für ein Friedensprogramm auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege, unabhängig von der Bereitschaft für den Kriegsfall«.
    Ob nun für Kriegs- oder Friedenszeiten, an einer Professionalisierung der Pflege kann jedem Land nur gelegen sein. So gründet Marie Simon, eine sorbische Krankenschwester, die bei Königgrätz im Einsatz war, den sächsischen Albert-Verein. Im Großherzogtum Hessen entsteht der Alice-Frauenverein. Ähnlich dem Badischen Frauenverein sollen sie sich vornehmlich der Ausbildung von Krankenpflegerinnen und der Armenfürsorge widmen.
    Auf der Berliner Konferenz schließen sich die deutschen Hilfsvereine unter einem gemeinsamen Dachverband zusammen. Die Federführung wird dem mit Abstand größten Verein zugesprochen, dem preußischen. Dieses neue Zentralkomitee, nunmehr mit »Z« geschrieben, ist der Vorgänger des Deutschen Roten Kreuzes und nimmt durch die Überwindung der nationalen Grenzen die Vereinigung des Deutschen Reichs 1871 vorweg.
    Im August 1870 wird Adolf Schaal, Kontorist in einer Pariser Parfümerie, aufgefordert, Frankreich binnen 48 Stunden zu verlassen. So wie ihm ergeht es fast 50000 anderen Deutschen in Paris. Frankreich hat Preußen den Krieg erklärt. Auf dem Bahnhof kampieren die Ausgewiesenen in Massen, von Gendarmen und Geheimpolizisten zugleich bewacht und beschützt. »Ein langer, langer Eisenbahnzug«, so Schaal, nimmt sie schließlich auf. Die Ausreise ist nur noch über die neutrale Schweiz möglich.
    Auf beiden Seiten spielen Presse und öffentliche Meinung beim Entfachen des Krieges eine Schlüsselrolle. In einer kurz zuvor abgehaltenen Volksabstimmung über liberale Verfassungsreformen haben 83 Prozent der Franzosen Napoleon III .

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