Im Zeichen der Menschlichkeit
bereits 1859 den Badischen Frauenverein ins Leben gerufen. Nachdem der befürchtete Krieg mit Frankreich ausgeblieben war, wendet er sich zunächst der Betreuung von Wöchnerinnen zu. In der Folge schreibt der Verein sich dann auch die Linderung von Notständen und die Ausbildung von Krankenpflegerinnen auf die Fahnen.
Die Schwestern, anfangs noch »Wärterinnen« genannt, erhalten nach Abschluss der etwa viermonatigen Ausbildung ein Zeugnis, ein Geschenk der Großherzogin und ein Etui mit Instrumenten. Während einige sich der Krankenpflege auf dem Land widmen, bauen andere in Karlsruhe eine Pflegestation auf. Sie beziehen ein festes Gehalt, tragen dieselbe Tracht, leben in einer gemeinsamen Wohnung und richten schließlich auch noch ein Kinderheim ein. Wenig später eröffnet eine ähnliche Station in Pforzheim. Von 1861 bis 1917, sechs Jahre vor ihrem Tod, nimmt die Großherzogin Jahr für Jahr an der Christbescherung der Schwestern teil.
Krankenwärterinnen um 1870. Links in Festtagstracht, rechts im Arbeitskleid mit Schürze. Die Rotkreuzbrosche gehört bereits dazu.
© DRK
Mit dem Badischen Frauenverein beginnt eine spezifisch deutsche Rotkreuztradition, die der Schwesternschaften. Als weltlicher Orden organisieren sie das berufliche wie das persönliche Leben der traditionell unverheirateten Schwestern. »Sie sollen«, wie Luise wünscht, »eine Familie bilden.« Im Juni 1866 stellen sich die rund fünfzig bis dahin ausgebildeten Wärterinnen in den Dienst der Badischen Armee. Zur gleichen Zeit wird der Verein vom Genfer Komitee als nationale Hilfsgesellschaft anerkannt. Da Baden aufseiten Österreichs kämpft, stehen Augusta und Luise sich nun in verfeindeten Lagern gegenüber. Nach dem Krieg überbieten sie sich in schönster Mutter-Tochter-Rivalität in staatstragender Wohlfahrtspflege. Während für Augusta der vaterländische Charakter im Vordergrund steht, die Verbindung von patriotischer Gesinnung mit nützlichem Wirken für die Allgemeinheit, setzt Luise den Akzent stärker auf den Frauenverein, der die »berufliche Stellung des weiblichen Geschlechtes« ebenso befördern soll wie »das sittliche Denken und Empfinden«. In diesem Geiste unterstützt er nun invalide gewordene badische Soldaten und bedürftige Hinterbliebene und wendet sich ansonsten wieder der Kinderpflege, der Heilanstalt für Augen- und Frauenkrankheiten und der Ausbildung von Krankenwärterinnen zu.
Ein Kartell der Humanität
Neben engagierten Regentinnen gehören ausgerechnet die Militärs zu den eifrigsten Fürsprechern des Roten Kreuzes. Wenn selbst der preußische Kriegsminister für eine Idee Feuer und Flamme ist, wenn ein Hasardeur wie Napoleon III. sie zur Chefsache macht, wenn die Zarenfamilie sich dafür ins Zeug legt – dann dürfte sehr viel mehr im Spiel sein als bloße Menschenfreundlichkeit.
Tatsächlich bietet der Einsatz freiwilliger Helfer den Herrschern und ihren Generälen handfeste Vorteile. So erhöhen sie beispielsweise die Zahl der verfügbaren Kämpfer. In vielen großen Armeen marschieren in den hinteren Reihen Feldjäger mit, die Befehl haben, auf Deserteure zu schießen. Eine der wenigen Möglichkeiten, sich wenigstens für kurze Zeit aus dem Feuer zurückzuziehen, besteht darin, Verwundete zu den ruckwärtigen Verbandsplätzen zu bringen. Der preußische Militärtheoretiker und General Carl von Clausewitz hatte diese Praxis bereits Jahrzehnte zuvor als untrügliches Zeichen dafür angesehen, wer im Kampf die Oberhand gewonnen habe: »Schmelzen die Bataillone ungewöhnlich schnell zusammen, weil mit den Verwundeten Scharen von Nichtverwundeten zurückgehen, so muß der Feldherr wohl die Richtung erkennen, in welcher er sich mit seiner Schlacht befindet.« Wenn dagegen Zivilisten diese Aufgabe übernehmen, bleiben mehr Soldaten im Kampfgeschehen.
Am Schutz der Ärzte und Sanitäter haben alle Beteiligten ein vitales Interesse. Als Spezialisten sind sie für eine Armee schwerer zu ersetzen als gewöhnliche Soldaten. Je ungehinderter sie arbeiten können, desto mehr Verwundete überleben und stehen später eventuell wieder zur Verfügung. Mit der Zulassung freiwilliger Hilfsgesellschaften kann der Staat außerdem Fürsorge demonstrieren: Wir schicken euch ins Feuer, aber wir lassen euch nicht im Stich. Dem einzelnen Soldaten erleichtert das Wissen, dass er zumindest nicht rettungslos verloren ist, seine Aufgabe. Eine Situation also, die allen Vorteile bringt. Zumal der Krieg des Jahres 1866 zeigt,
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