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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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entsprechende Desinfektion neuartige Operationen möglich. Moderne Kriegstechnik und moderne Medizintechnik entwickeln sich in wechselseitiger Abhängigkeit. Mit der Entstehung der Massenheere steigt auch die Bedeutung der Volksgesundheit. Seuchenhygiene, Bakteriologie und Tropenmedizin nehmen enormen Aufschwung. Die Fortschritte in der Behandlung bedingen eine Professionalisierung der Pflege. Ob Krankenwärter oder Operationsschwester – mit einfachen Handreichungen ist es längst nicht mehr getan. Waren männliche Kriegspfleger bislang noch die Regel, werden nun zunehmend Frauen favorisiert. Symptomatisch hierfür ist das Fazit eines amerikanischen Arztes aus dem Deutsch-Französischen Krieg: »Eine Pflegerin würde ich nicht gegen ein Dutzend Pfleger eintauschen.« Frauen wird eine Art Naturtalent zur Fürsorge zugesprochen; entsprechend prominent ist die Rolle, die sie in der Geschichte des Roten Kreuzes spielen. Angefangen bei der Gräfin Gasparin, an die Dunant jenen Brandbrief aus Italien schrieb. Noch im Jahr von Solferino eröffnet sie die erste freie Schule für Krankenpflegerinnen, die als »École La Source« bis heute unter den Fittichen des Schweizerischen Roten Kreuzes besteht. Zur gleichen Zeit wurde der Badische Frauenverein begründet, nach dessen Vorbild sich nun die deutschen Schwesternschaften entwickeln. Bis zum Ersten Weltkrieg werden über dreißig davon im ganzen Reich entstehen. Meist aus dem Vaterländischen Frauenverein heraus, manchmal zugleich als Stiftung einer adeligen Familie, unterstützt von Ärzten, Stadträten und Kirchenleuten. Einige schließen sich an Universitätskliniken an, die meisten errichten mit der Zeit eigene Krankenhäuser.
    Wie bei den religiösen Gemeinschaften bleiben auch die Rotkreuzschwesternschaften unverheirateten Frauen vorbehalten. Zum einen lässt sich so für ledige Töchter des Adels und des Bürgertums eine dauerhafte Versorgung und eine standesgemäße Aufgabe schaffen. Zum anderen sind sie im Kriegsfall leicht zu mobilisieren. Die Bereitschaft dazu ist denn auch eine Bedingung für die Aufnahme. Halb Wohngemeinschaft, halb Kaserne, bilden die Mutterhäuser den Lebens- und Arbeitsmittelpunkt der Schwestern. Jedem dieser Häuser steht eine Oberin vor, und jedes hat seine eigene Diensttracht. Die Haube verleiht den Schwestern symbolisch den Status einer verheirateten Frau, nur dass sie eben mit dem Roten Kreuz vermählt sind. Auf Gehorsam, Pflichterfüllung und untadeligen Lebenswandel wird größter Wert gelegt; bis Mitte der 1980er Jahre durften Männer viele Mutterhäuser nicht betreten, Ärzte und Dozenten ausgenommen. Die Schwestern erhalten eine Aufwandsentschädigung, das eigentliche Gehalt aber geht an das Mutterhaus, das dafür Kost und Logis bereitstellt, die Kranken- und Altersversorgung übernimmt und ein umfangreiches Ausbildungs- und Kulturprogramm organisiert.
    Auch Tüftler und Techniker werden nun vermehrt beim Roten Kreuz vorstellig. Sterns Möbelfabrik aus Berlin bestürmt Gustave Moynier, beim nächsten Kongress eine patentierte Tragbahre für Treppen vorzustellen. Ein umtriebiger Kasselaner, Inhaber einer »Anstalt für schwedische Heilgymnastik«, offeriert seine Dienste zur »glücklichen Heilung schwieriger Krankheitsfälle«. Ein Stuttgarter Apotheker empfiehlt spezielle Kopfbedeckungen für Krankenpfleger. Ein Nürnberger Tausendsassa stellt sein mechanisches Feld- und Operationszelt auf Bahnhöfen, in Turnhallen und auf Messen zur Schau.
    Nach dem Tod seiner Mitstreiter Maunoir und Dufour wird Moynier Mitte der 1870er Jahre mehr denn je zum Fixstern der Bewegung. Unermüdlich schreibt er Communiqués und Memoranden, Traktate und Depeschen, in denen er sich auch schon mal ironisch als »das Faktotum des Komitees« tituliert. Anders als Dunant verfügt er über die Gabe der Ironie. Neben den Mitteilungen der nationalen Gesellschaften gehen auch private Anfragen bei ihm ein. Im Januar 1877 meldet sich auf Empfehlung von Pastor Hahn eine junge Frau aus Stuttgart: Irma Tatarko ist zweiundzwanzig Jahre jung, gebürtige Ungarin und Hausmädchen bei einer Familie von Stand. Sie sei, schreibt sie, »durchdrungen von dem Verlangen, in dem zu erwartenden Kriege zwischen Russland und der Türkei der Sache der Humanität zu dienen.« Sie spräche fließend Russisch, Polnisch, Deutsch, Französisch und Ungarisch. Und sie sei festen Willens, schreibt sie, sich »in die Dienste der zutiefst menschlichen und geheiligten Institution des

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