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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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Parteifunktionär, so würde nun auf einen jungen Neunkirchener Dachdecker namens Erich Honecker viel Arbeit zukommen.

Im Mai 1943 ruft Hitler die Bevölkerung auf, für das vierte Kriegshilfswerk des Deutschen Roten Kreuzes zu spenden.
    © H. Hoffmann / DRK

KAPITEL 7 »Im Würgegriff der Diktatur«
    Die Umpolung im »Dritten Reich«
    Kriegsgewinner ist die Hölle.
    ALFRED POLGAR, KRIEG ALS ERZIEHER
    Die Sprechstunde einer Gemeindeschwester in der Niederlausitz beginnt im Sommer um sieben, im Winter um acht. Geduldig verarztet sie das Kind mit dem Ausschlag, den Erntehelfer mit der Schnittwunde, den Fuhrmann, dem ein Pferd auf den Fuß getreten ist. Am Nachmittag dreht sie per Fahrrad ihre Runde durch die Dörfer im Landkreis Guben. Sie verabreicht hier eine Packung Heilerde, dort eine Serumspritze, und wo eine Mutter krank liegt, da kocht sie auch mal Suppe und sieht nach den Kindern. Bisweilen soll sie gar beim Verfassen des Testaments helfen oder beim Schlichten eines ehelichen Zwists. Fern von Arzt und Apotheke, Telefon und Eisenbahn, sind die Gemeindeschwestern weitgehend auf sich gestellt. »Verantwortungsfreudigkeit und Entschlußkraft« werden denn auch als Einstellungsvoraussetzungen genannt. Ein entsprechender Bericht erscheint im Herbst 1934 in der Zeitschrift des Vaterländischen Frauenvereins.
    Schon Anfang der zwanziger Jahre hat das Rote Kreuz in vielen ländlichen Regionen Krankenstationen eingerichtet. Neu an diesem Artikel ist jedoch die unverblümte Propaganda für das Regime. Gleich der erste Satz schlägt einen Ton an, der in der Weimarer Republik noch undenkbar gewesen wäre: »Hinter dem Heer der kämpfenden Männer – das Heer der helfenden Frauen.« Der Bericht strotzt vor Anspielungen auf »das Volk in Waffen« und »die Heimarmee vom Roten Kreuz«.
    Hintergrund ist die heimliche Wiederbewaffnung Deutschlands und die bevorstehende Einführung der Wehrpflicht. Bezeichnend klingt auch die fortwährende Beschwörung des Kollektivs: »Wir alle sind deutsche Frauen.« Und im Gubener Jugendheim, über dem neben der Rotkreuzfahne auch die Hakenkreuzfahne weht, feiern sie »unseres großen Führers Geburtstag, unterstützt durch brave SA -Männer«.
    Ganz unverblümt fordert das Vereinsorgan die Schwestern dazu auf, als Vertrauenspersonen weltanschaulich auf die Landbevölkerung einzuwirken. Die nationalsozialistische Rassenpolitik »kann so durch unsere Schwestern in die Praxis umgesetzt werden«. Sie helfen bereits »beim Ermitteln der Fälle, beim Beeinflussen der Eltern, dem Melden von Krüppelkindern, von körperlich und sittlich Gefährdeten«. Inwieweit die neuen Richtlinien flächendeckend in die Tat umgesetzt wurden, lässt sich mangels Quellen nicht eindeutig beantworten. Doch dass ein neuer Ton und ein neuer Geist in der Wohlfahrtsarbeit Einzug halten, ist offensichtlich.
    Haben sich Rotkreuzkräfte indirekt mitschuldig gemacht an den späteren Verbrechen der »Euthanasie«, indem sie sich der »Durchsetzung nationalsozialistischer Grundsätze in der Volkshygiene« verschrieben und »gegen die Gefährdung gesunder Volkskraft« vorgingen? Direkt beteiligt waren sie daran nicht, da die Gemeindekrankenpflege ab 1938 weitgehend von NS-Schwestern übernommen wurde und das Rote Kreuz selbst auch keine Behinderteneinrichtungen führte. Konnten sie auch nur ahnen, was mit diesen »Fällen« geschehen würde? Die Rotkreuzschwester Elfriede Behrendt, die bei Kriegsbeginn einem Luftwaffenlazarett in Hannover-Langenhagen zugeteilt wird, berichtet von einer benachbarten Heilanstalt, die kurz vor ihrer Ankunft geräumt worden ist. »Es wurde uns gesagt, die Patienten wären zur Sicherheit verlegt worden. Erst viel später sickerte durch, was mit ihnen wirklich geschehen war. Wir hatten zwar schon im Examen die Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses auswendig gelernt, aber die Konsequenz daraus nicht begriffen.« Darin bestand das Verhängnis des »Dritten Reiches« insgesamt: dass niemand die Konsequenzen begreifen wollte, die in eine Katastrophe des Menschlichen führten. Auch in der Niederlausitz werden um diese Zeit 32 Mädchen und Frauen aus dem Gubener Behindertenheim abgeholt und als »lebensunwertes Leben« ermordet.
    Gleichgeschaltet oder gleichgesinnt?
    Unmittelbar nach Hitlers Regierungsantritt am 30. Januar 1933 beginnen die Nationalsozialisten mit der sogenannten Gleichschaltung von Medien, Standes- und Massenorganisationen. Mit seinen fast 1,4 Millionen Mitgliedern, verteilt auf

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