Im Zeichen der Menschlichkeit
übermäßig monumental, eher zweckgerichtet und ästhetisch langweilig. Architekt ist Norbert Demmel, Leiter der Bauabteilung im Präsidium, Parteimitglied der ersten Stunde und SS -Sturmbannführer. Schon im Kaiserreich war hier vor den Toren Berlins das Zentraldepot des Roten Kreuzes entstanden, mit Werkstätten, Bekleidungs- und Vorratslagern. Mit Blick auf die Mobilmachung ist es seit Mitte der dreißiger Jahre »für stoßweise auftretenden Bedarf« ausgebaut und um eine große Fahrzeughalle für das mobile Bereitschaftslazarett erweitert worden. Auch die Sanitätsabteilungen der SA und der SS decken sich hier ein. Gleichzeitig hat sich gegenüber die Filmstadt der Ufa als deutsches Hollywood immer weiter ausgebreitet.
Mit dem Neubau des Präsidiums in Babelsberg bringt das DRK seine gestiegene Bedeutung im NS-Staat zum Ausdruck. Zu Hitlers Geburtstag wird geflaggt.
© P. Wittig / DRK
Nur der Auslandsdienst, der die Verbindung zum Genfer Komitee und den Rotkreuzgesellschaften in aller Welt hält und auch die Kriegsgefangenenpost betreut, firmiert ab 1943 unter einer ganz anderen Adresse: im bayerischen Kloster Ettal. Denkbar fern von Berlin, mögen hier eher gewisse Spielräume für die prekäre Auslandsarbeit gegeben sein. Um einer Auflösung vorzubeugen, hat das einst mächtige Kloster eine wilde Mischung aus Untermietern aufgenommen. Es beherbergt die Schätze der Staatsgemäldesammlung, französische Kriegsgefangene und Hamburger Schulmädchen, das Konstruktionsbüro des Rüstungskonzerns Messerschmitt und die beiden Söhne des Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi. Die ominöse Schwester Pia, der Adolf Hitler seit 1920 eng verbunden ist, lebt ebenso im Kloster wie Pater Rupert Mayer, ein prominenter katholischer Regimegegner, der unter Hausarrest steht. So halten die geschickten Patres sich möglichst viele Optionen offen. Sie haben Verbindung zum militärischen Nachrichtendienst und zur nahen Wehrmachtsakademie, bieten aber auch neunzig Bessarabiendeutschen vorübergehend Asyl, die schließlich ins westliche Polen umgesiedelt werden. Zu dieser illustren Notgemeinschaft stoßen nun auch noch sechzig Mitarbeiter des Roten Kreuzes. Sie erhalten einen privilegierten Platz direkt im Konvent. Und das, obwohl es außer Walter Georg Hartmann und seinem Stellvertreter allesamt Frauen sind. Später wird das angeschlossene Internat zum Lazarett umfunktioniert, und ein großes rotes Kreuz prangt auf dem Dach.
Das DRK gerät zu dieser Zeit immer stärker unter den Einfluss der Partei. So verfügt der Landesverband Bayern den Ausschluss aller Geistlichen – ausgerechnet unter Berufung auf die Neutralität des Roten Kreuzes. Der wahre Grund ist der verschärfte Kampf der Nationalsozialisten gegen die Kirchen. Es ist die Zeit der Euthanasie-Aktionen, gegen die zumindest einzelne Kirchenleute Protest erheben. Männer von beeindruckender Integrität: Clemens August Graf von Galen, Konrad Graf von Preysing, Eugen Gerstenmeier, Dietrich Bonhoeffer. Auch in der Wehrmacht treten einige Aufrechte in Erscheinung, im Auswärtigen Amt findet sich eine so singuläre Gestalt wie Ulrich von Hassell, ein einstiger Weggefährte Winterfeldts. Die Johanniterritter beteiligen sich sogar in großer Zahl am Widerstand, was mehr als ein Dutzend von ihnen mit dem Leben bezahlen muss. Es ist bedauerlich, dass aus den Reihen des Roten Kreuzes niemand hervorgetreten ist, der auch nur annähernd solches Format besessen hätte. Schon einige wenige Stimmen hätten den Neubeginn nach Ende der NS -Zeit um vieles erleichtert.
Stattdessen bekleiden reihenweise Männer Führungspositionen, die als Kriegsverbrecher und Vernichtungsmediziner in die Geschichte eingehen werden: Ernst Robert Grawitz, Karl Gebhardt, Kurt Heißmeyer, Ludwig Stumpfegger, Fritz Fischer, Walther Schultze. Den Landesstellen stehen prominente NS -Funktionäre vor, die den höchsten Dienstrang, den des Generalhauptführers, innehaben. Alfred Mayer ist eine der treibenden Kräfte der Wannseekonferenz, Viktor Böttcher betreibt die »Ausmerzung der polnischen Kultur und Sprache« im Warthegau, Jonathan Schmid ist mitverantwortlich für die Deportierung der französischen Juden, Karl Fritsch organisiert die Euthanasie in Sachsen. Oswald Pohl, nach Grawitz der zweitmächtigste Mann im DRK , lässt den ermordeten KZ -Opfern die Goldplomben ausbrechen und kistenweise in die Reichsbank schaffen. Sie begehen diese Gräueltaten zwar nicht im Rahmen ihrer Funktion im Roten Kreuz, doch
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