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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne
Autoren: Federica de Cesco
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war allein. Ich hatte niemanden, an den ich mich schutzsuchend klammern konnte oder wollte, niemanden, der mir zusprach oder mich tröstete. Ich war gezwungen, mich selbst zu durchforschen, musste der Vergangenheit ins Auge blicken. Es gab keinen anderen Ausweg, als den Schatten des Mannes, dessen Name verflucht war, mit all seinen bestürzenden Widersprüchen heraufzubeschwören. Wusste ich nicht, dass wir jenseits aller Gegensätze den gleichen Zeichen angehörten? Dass unsere Seelen unlösbar miteinander verbunden waren? Er - er hatte es nicht vergessen. Denn warum sonst hätte er mein Leben verschont?
    Aufrecht und regungslos starrte ich in das Licht der Fackel und bereitete mich darauf vor, noch einmal in Gedanken die Vergangenheit an mir vorbeiziehen zu lassen. Und während ich die Hohen Mächte beschwor, die Furcht aus meinem Herzen zu verbannen, wurden draußen leise und dumpf die Begräbnistrommeln geschlagen.

Zweiter Teil

7
    J enseits des Ozeans, bei günstigem Wind in fünf Tagen zu erreichen, lag Nimana, die Hauptstadt der Tungusenkönige. Die Tungusen, ein kriegerisches Reitervolk der altaischen Steppen, hatten die Halbinsel Kara 1 zu derselben Zeit unterworfen, als unsere Vorfahren Yamatai gründeten. Es war ein sehr altes Volk, das sesshaft geworden war, ohne die unerschrockene Lebenskraft des Nomadentums einzubüßen. Selbst ihre Lehnsherren, die Wei-Fürsten aus dem selbstherrlichen Himmlischen China, hatten Hochachtung - wenn nicht gar Furcht - vor der immer noch kriegerischen Gesinnung dieses Volkes, das sich stets nur den eigenen Gesetzen unterwarf.
    Die wenigen Reisenden, die aus Nimana zurückkehrten, berichteten Außergewöhnliches. Eine gewaltige Befestigungsmauer umgab die Stadt. Die Häuser waren nicht aus Holz, sondern aus Steinblöcken, die Dächer nicht aus Stroh, sondern aus azurblauen Ziegeln; es gab die verschiedenartigsten Bauwerke, Türme und Heiligtümer. Die Vornehmen lebten in Palästen, von Gärten umgeben. Sie waren unvorstellbar prachtvoll gekleidet und geschmückt. Astronomen und Wissenschaftler speisten an der Tafel des Königs und die Kunst der Handwerker galt als unübertrefflich.

    Einige Jahre zuvor, als ich noch Kind war, hatte meine Mutter die ersten Abgesandten an den Hof von Nimana geschickt. Diese Boten waren von König Irihiko ehrenvoll empfangen worden. Sie überreichten Geschenke: roten Puder, um Haar und Gesicht zu färben, Vogelfedern, Edelsteine, Perlen und Waffen, die in unseren eigenen Schmieden hergestellt waren. Man erzählte sich, dass der König sie bewundert hätte.
    Die Botschafter kehrten mit Geschenken beladen nach Amôda zurück: Goldschmuck in der Form von Blumen und Vögeln, kostbare Seidenstoffe. Ein Geschenk von besonderer Bedeutung war ein schweres Goldsiegel, das der Königin von Yamatai die Rechtmäßigkeit ihrer Herrschaft in den Augen der mächtigen Tungusen-Dynastie bezeugte.
    Für meine Mutter war es sehr wichtig, freundschaftliche Beziehungen zu Irihiko zu unterhalten. In den nachfolgenden Jahren wurden häufig Geschenke ausgetauscht. Die Abgesandten aus dem Tungusenland beeindruckten uns durch ihr stolzes Auftreten und die Eleganz ihrer Erscheinung. Sie hatten helle Haut und kühn geschnittene Gesichter. Das Haar trugen sie zu einem hohen Knoten gewunden, in einer Art, die die Edelleute von Amôda recht bald für nachahmenswert erachteten. Alle kleideten sich in bauschige Seidengewänder, deren Farben im Licht schillerten. Anstelle von Sandalen trugen sie schmiegsame Lederstiefel. Die Botschaften, die der König meiner Mutter übermitteln ließ, waren nicht auf Holztäfelchen geritzt, wie es im Yamatai üblich war, sondern mit dem Pinsel auf Rollen gemalt, die aus einem sehr feinen Material bestanden, das fast durchsichtig und dennoch fest war. Später erfuhr ich, dass es aus eingeweichten und dann getrockneten Pflanzen hergestellt wurde.
    Als ich zwölf Jahre alt war, schiffte sich eine Abordnung einflussreicher Männer nach Nimana ein. Sie wurde von Sire Nasome und Sire Tajigori geleitet, zwei Kriegern hoher Abstammung. Sie kehrten mit der Botschaft zurück, dass König Irihiko sie zu Befehlshabern ernannt hätte.
    Diesmal schickte der Monarch meiner Mutter hundert Bronzespiegel und zwei Schwerter mit Elfenbeingriffen.

    Drei Jahre vergingen. Dann, am fünften Tag des ersten Monats, kurz nach den
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