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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Treppen, das leise Klirren von Waffen und Schmuck. Doch kein Laut fiel. Nur die Fliegen brummten, als plötzlich aus der Vorhalle ein ersticktes Gelächter ertönte. Ich zuckte zusammen; mein Kopf fuhr bestürzt empor, während zwischen den Pfosten die hohe Gestalt eines Mannes aus der Dunkelheit trat. Schwerfällig stieg er die Stufen herab. Er schritt durch den Hof; sein Schatten glitt neben ihm über den Sand. Mein Magen verkrampfte sich. Ich presste die Hand auf den Mund. Der Schatten kam näher, berührte mich, bedeckte mich … Ich schloss die Augen; öffnete sie. Der , dessen Name bald verflucht sein würde, blieb vor mir stehen, so nahe, dass sein Atem mein Gesicht streifte. Sein Schwert funkelte an seinem Gurt wie die bläuliche Sichel des Mondes und er hielt eine Peitsche in der Hand.

12
    E ine Weile rührten wir uns nicht. Um uns herum waren die Fliegen, der blutbefleckte Sand, der schwarze Wall, das gespenstische Rot des Himmels. Immer mehr Menschen drängten sich in den Hof, aber ich merkte es kaum. Ich ließ den Blick nicht von dem Mann, der so dicht vor mir stand, dass ich das unruhige Flackern seiner Augen sah, die Angst hinter seinem höhnischen Lächeln spürte. Das Blut stieg mir in die Wangen. Doch ich bewegte mich nicht, schwieg mit zusammengepressten Zähnen und wartete, bis er in gespielter Selbstsicherheit das Wort ergriff.
    Â»Ihr seid also rechtzeitig zurückgekehrt. Willkommen, Prinzessin!«
    Ich antwortete nicht. Ich hatte dasselbe Gesicht, dieselben Augen, denselben Körper wie zuvor, doch seit meiner Unterweisung auf der Heiligen Insel war ich eine andere geworden. Jemand, den er noch nicht kannte, deren Zorn und Macht er zu fürchten hatte.
    Er aber verzog ironisch den Mund. Sein nackter, nur mit einem Lederarmband geschmückter Arm wies mit heftiger Bewegung auf das Fell. Die grünen »Tama«-Steine an seinem Handgelenk glitzerten.
    Â»Ich habe das ruchlose Tier bestraft, das die Ehre eines Prinzen schmähte! Die Raben mögen sich um das stinkende Aas reißen!« Eine Fliege setzte sich auf sein Auge, eine andere auf seinen Mund. Er schüttelte wütend den Kopf, um sie zu verscheuchen. Ich musste plötzlich an Suki denken; etwas zerriss in mir, etwas Lebendiges, Warmes. Doch blieb ich reglos und stumm. Wieder vernahm ich seine Stimme. Sie war angenehm, warm, spöttisch. Sie war weithin zu verstehen.
    Â»Die Tungusen«, fuhr er fort, »versehen diese Grasfresser mit göttlichen Tugenden. Schreiben sie ihnen nicht die Macht zu, die Seelen in den Himmel zu geleiten? Mir scheint, Prinzessin, das ist zu viel der Ehre! Ein Adler besitzt mehr Kräfte, ein Hund mehr Kühnheit, ein Affe mehr Hirn.«
    Eine Pause folgte, von fast unhörbarem Flüstern erfüllt. Schamlos blickte er mir in die Augen, ließ die Peitschenschnur durch seine Finger gleiten.
    Stumm, bewegungslos hielt ich seinem Blick stand, fragte mich, was er wohl tun würde, wenn ich ihm jetzt ins Gesicht schlüge. Er schien in meinen Gedanken zu lesen, denn er lachte kurz und höhnisch auf, bevor er erneut das Wort ergriff.
    Â»Man erzählt sich, dass ich, Prinz Susanoo, mit dem Abschlachten dieses Grasfressers im Königreich des Himmels großen Zorn heraufbeschworen hätte. Die erzürnte Göttin habe ihr Antlitz verhüllt und die Welt verdüstert …«
    Er stockte. Ich sah die Adern an seinem Hals anschwellen. Wie das Dröhnen einer Bronzeglocke hallte seine Stimme über den Hof.
    Â»Ich sage dir, Volk von Amôda: Weder Mensch noch Tier ist befähigt, die Ordnung der Gestirne zu verändern. Weder Mensch noch Tier vermag die Erd- und Himmelsmächte zu lenken!«
    Die Menge seufzte. Über den Mauern flimmerte der Himmel in purpurroter Glut. Die Fliegen summten. Ich aber sprach immer noch nicht. Da erhob er die Peitsche, ließ die Schnur dicht vor meinem Gesicht tanzen. Seine Stimme wurde leise, rau, dumpf. Er redete wie im Selbstgespräch oder im Traum.
    Â»Ich habe dem Grasfresser die Kehle durchgeschnitten und ihm das stinkende Fell abgezogen. Ich habe es auf den Rücken geladen und zum Pavillon getragen, in dem meine edle Schwester, von ihren Priesterinnen umgeben, mit friedvollem Herzen ihre heiligen Stoffe webte. Ich habe die Trennwand mit der Schulter durchstoßen und ihr die blutige Haut vor die Füße geworfen!«
    Ein trockenes Lachen, ähnlich einem Schluchzen,

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