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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Generationen, für ewig aus dem Gedächtnis und den Träumen verbannt …«
    Immer noch hielt ich den Kamm in die Höhe, blickte unverwandt auf die schillernden schwarzen Kugeln, bis ein plötzliches Zittern mich die Arme senken ließ und ein ungeheurer Schmerz mein Herz zerriss. Ich hatte den heiligen Fluch ausgesprochen, den, der den Namen zerstörte und die Bande zur Unsichtbaren Welt durchtrennte.
    Er aber stand vor mir im rötlichen Halbdunkel, so nah, dass ich seine Wärme, seinen gepressten Atem spürte. Ich sah das Blut aus seinem Gesicht weichen, seine Züge erstarren. Es war, als ob etwas Eisiges, Unerbittliches mit einem Mal von seiner Seele Besitz ergriffen hätte. Und vor der Hoffnungslosigkeit, die aus seinen Augen sprach, fühlte ich meine Kräfte erschlaffen, fühlte mich von verzweifelter Trostlosigkeit zu Boden gedrückt. Ich wankte, doch ich hielt mich aufrecht.
    Schweiß perlte auf seiner Stirn. Mit einer instinktiven Bewegung zog er das Schwert. Die bläuliche Klinge flog aus der Scheide. Und ich wünschte mir den Tod - ja, ich sehnte mich danach, von seinem Schwert durchbohrt zu werden. Jetzt. Hier. Vor allen. Ich sah ihm in die Augen, ich glaube, dass ich lächelte. Doch da erhob sich ein Gemurmel. Es schwoll an, entfesselte sich, donnerte wie das Grollen der Brandung gegen die Klippen.
    Â»Heilig …«, schrie die Menge. »Sie ist heilig!«
    Ein Windstoß fuhr über den Hof. Eine Fackel wurde entzündet, dann eine zweite und noch eine und immer mehr. Ein Meer von Fackeln flammte auf, überall, in den Haltern oder von Hunderten von Händen getragen, brannten, knisterten, rauchten sie. Riesige Schatten huschten über die Mauern, wurden in wirbelndem Spiel von einer Wand zur anderen geworfen, wogten, tanzten, vermischten sich auf dem Sand.
    Â»Heilig …«, wiederholte die Menge. »Sie ist heilig …«
    Ich starrte auf den Mann, der aufrecht im Fackellicht dastand. Sein Gesicht füllte meinen Blick aus und zugleich die ganze Welt. Ich sah ihn zurückweichen, schwanken. Sein Körper bebte. Er öffnete die Hand. Das Schwert fiel zu Boden wie ein eisig glühender Mondsplitter.
    Und der , dessen Name ich verflucht hatte, schrie auf, als hätte ihn ein Schlag mitten ins Gesicht getroffen: der Klagelaut eines Mannes, der nicht zu klagen gewohnt war. Dieser Schrei drückte weder Auflehnung noch Wut aus, sondern eine derart fassungslose, leidenschaftliche Verzweiflung, dass es mir kalt über den Rücken lief. Und als der Ton verklungen war, wurde die Stille so schwer, so lastend, dass nichts und niemand, so schien es mir, sie je wieder beleben konnte. Erstarrt blickte ich in die trüben, ausdruckslosen Augen, in denen jede Wärme, jedes Leben erloschen waren. Und ich erinnerte mich an den Stolz, die Herausforderung, die flackernde und aufbegehrende Flamme, die seinen Blick so erregend gemacht hatten. Zu spät wünschte ich mir, diese Heftigkeit, diese Leidenschaft wiederzuerwecken. Ich hätte alles - selbst mein Leben - gegeben, um nicht mehr diesen gebrochenen Blick, diese verschlossene Maske, die sich über seine Züge gesenkt hatte, sehen zu müssen. Und ich empfand Abscheu, Scham und Schrecken gegenüber meiner Macht, die einen Menschen bis in die Tiefe seiner Seele zu zerstören vermochte.
    Mit letzter Kraft wandte ich die Augen ab, richtete sie auf Hi-Umas Hülle. Der Widerschein der Flammen, das Auf- und Abwogen der Schatten verliehen der herabhängenden Haut einen erbärmlichen Anschein von Leben. Ich konnte und wollte nicht dieses Bild mit der Erinnerung an das Himmlische Pferd in Zusammenhang bringen. Das Dröhnen der Hufe schien in meinem Kopf nachzuhallen. Mit flatternder Mähne galoppierte Hi-Uma der Sonne entgegen. Er flog über weite Steppen in die ferne Unendlichkeit und ließ mich für immer allein …
    Ich zitterte. Heftiges, unbeherrschtes Schluchzen stieg in mir hoch. Durch den Tränenschleier verschwamm die blutverkrustete Haut vor meinen Augen, wurde riesengroß, heller und heller im blendenden Lichtschein.
    Mit äußerster Anstrengung würgte ich die Tränen hinunter. Meine Stimme klang dumpf, verhalten, spröde: »Man entferne die Haut. Und bestatte sie in Ehren.«

13
    I n dieser Nacht ging der Mond spät und farblos auf. Ein sichelförmiger rötlicher Schatten lag auf der riesigen Kugel, die so nahe über der Erde zu

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