Im Zeichen der Roten Sonne
fort:
»Geruht, meine Sänfte zu benutzen. Die Träger werden Euch bis zur Herberge von Shiga bringen, wo die HauptstraÃen dieses Landes zusammentreffen. Dort könnt Ihr andere Träger mieten und Nimana erreichen, bevor der zweite Tag zu Ende geht.«
Ich war so erleichtert, dass ich plötzlich nur noch Müdigkeit empfand. Meine angespannten Nerven, meine erschöpften Muskeln verlangten nach Ruhe und Einsamkeit. Doch bezwang ich meine Erschöpfung und straffte die schmerzenden Schultern.
»Wann kann ich abreisen?«
»Jederzeit«, erwiderte Ki-Mun. »Doch rate ich Euch, den Morgen abzuwarten. Die StraÃen sind nicht sicher. Erweist mir die Ehre, Euch unter meinem Dach zu beherbergen.«
»Ich danke Euch«, antwortete ich, »doch die Dringlichkeit meiner Reise zwingt mich, sofort aufzubrechen. Bitte verseht mich mit einer Waffe und seid unbesorgt. Ich weià mich zu verteidigen.«
Ki-Mun verneigte sich abermals.
»Meine Träger stehen zu Euren Diensten. Ihr werdet die Herberge vor Sonnenaufgang erreichen.«
Ich musste noch eine Bitte aussprechen. Ich verbarg sie hinter einer Anspielung: »Herr, durch den Schiffbruch verlor ich alles, was ich besaÃ. Wie werde ich meinem ersten Gastgeber im Königreich von Kara seine Wohltaten vergelten können?«
Ich lieà ihn dadurch wissen, dass ich kein Geld hätte, um Träger zu mieten. Ki-Mun verstand. Er sagte einige Worte zu seiner Frau. Diese verschwand in einem Nebenraum und kam kurz darauf mit einer kleinen Seidenbörse zurück, die sie mir mit gesenkten Augen überreichte.
»Darf ich Euch bitten, diese unbedeutende Gabe als Zeichen unserer Ehrerbietung entgegenzunehmen?«
Gerührt von der GroÃzügigkeit dieser Menschen, verneigte ich mich tief, ja tiefer, als es mein Rang erforderte. »Die GroÃe Erlauchte Göttin möge Euch wohlgesinnt sein. Euer Edelmut wird nicht vergessen werden.«
Ki-Mun erwiderte ernst: »Es ist eine groÃe Ehre für uns, Euch, Prinzessin Toyo aus dem âºLand-inmitten-der-Schilfrohrfelderâ¹, beistehen zu können.«
Während man die Sänfte vorbereitete, führte mich Ki-Muns Frau in eine Badestube. Warmes Wasser entspannte meine Muskeln und linderte die Schmerzen meiner zerschundenen Knochen. Da meine Kleider in Fetzen hingen, brachte sie mir eine Pluderhose, ein Mieder und weiche Lederstiefel, wie man sie in Yamatai nicht kannte. Unter Kichern gab sie mir zu verstehen, dass diese Sachen ihrem Sohn gehörten. Als ich fertig angekleidet war, gab mir Ki-Mun einen starken, guten Bogen und ein Dutzend gefiederter Pfeile, die leichter und handlicher waren als unsere.
»Gefolgsmänner werden Eure Sänfte begleiten. In den Wäldern treibt sich Gesindel herum, das die Reisenden ausplündert. Diese Räuber scheuen vor nichts zurück. Falls Ihr angegriffen werdet, ist es besser, den Kampf zu vermeiden.«
Ich gab dem »Schicksalshüter« die Freiheit. Wenn er wollte, konnte er hier im Dorf bleiben, und ich stand dann nicht mehr in seiner Schuld, weil er mir das Leben gerettet hatte.
Die Sänfte wartete. Voraus gingen zwei Träger mit Fackeln. Das Geleit bestand aus sechs bewaffneten Männern. Der Anführer, mit Namen Piangje, sollte mir als Dolmetscher dienen.
Ich bestieg die Sänfte und zog die Vorhänge zu. Die Träger hoben die Stangen auf die Schultern. Ich bewahrte in mir das Bild von Ki-Mun und seiner Frau, die in der Gartentür standen. Ihre Gesichter drückten Besorgnis aus; ich gelobte mir, wachsam zu sein.
18
D ie Träger gingen mit raschen, federnden Schritten. Der Weg schlängelte sich durch die Reisfelder, dann führte er in einen Bambuswald, wo der Nachtwind in den Blättern knisterte. Das gleichmäÃige Schaukeln der Sänfte wiegte mich ein: Gegen meinen Willen fielen mir die Augen zu. Ich versuchte, den Rücken gerade zu halten, meine Muskeln anzuspannen, um wach zu bleiben, doch die Erschöpfung war stärker: Ich schlief ein.
Stimmen schreckten mich auf. Ich spürte, dass die Sänfte hart aufgesetzt wurde, und war sofort hellwach. Verstohlen blickte ich durch den Spalt der Vorhänge. Im Fackellicht sah ich vier Männer auf dem Weg stehen. Sie trugen Rüstungen auf der bloÃen Haut. Ihre geflochtenen Haare baumelten über die Schultern. Sie waren mit Lanzen, Schwertern und Krummdolchen bewaffnet. Die Flammen beleuchteten ihre dunkel
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