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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sickerte aus einer Bodenspalte und schmeckte nach Eisen. Ich trank gierig, bevor ich mit einem Stofffetzen meine glühenden Wunden kühlte.
    Nachdem ich mir einige Pfeile geschnitzt hatte, setzten wir unseren Weg den Waldrand entlang fort. Ich erkundigte mich bei dem »Schicksalshüter«: »Sprichst du die Sprache von hier?«, und war froh, dass er die Frage bejahte. Zwar war mir die klassische Hofsprache vertraut, aber das Volk sprach Dialekte, die mir fremd waren.
    Gegen Abend erreichten wir ein Dorf. Es lag am Fuß eines violetten Hügels, der von einem zierlichen Heiligtum mit vergoldetem Dachfirst überragt wurde. Anders als in meiner Heimat waren auch die einfachen Bauernhäuser mit Mauern umgeben, die nur die abgerundeten Strohdächer sichtbar werden ließen. Terrassenförmig angelegte Reisfelder dehnten sich über den Abhang aus. Ich sah eine festgestampfte Straße, die vom Dorf aus nach Norden und Süden führte. Im Hafen lagen zahlreiche Schiffe. Sie waren kleiner als unsere und hatten nur ein Segel.
    Wir gingen auf das Dorf zu. Auf einen Stock gestützt, humpelte der »Schicksalshüter« mit blutigen Füßen hinter mir her. Als wir uns den Häusern näherten, liefen uns Kinder mit neugierigem Geschrei entgegen. Zwei Männer traten aus einem der Höfe. Sie waren kleiner, untersetzter als die Leute in Yamatai. Ihre Augen waren schmaler, die Haut dunkler. Sie trugen die Haare aus der Stirn gekämmt und oben auf dem Kopf zu einem Knoten gebunden. Über Pluderhosen trugen sie kurze Gewänder, die auf der Brust mit einer Bandschleife verschnürt wurden. Ich verbeugte mich; sie erwiderten höflich meinen Gruß. Der Ältere, dessen feine Barthaare bereits ergraut waren, sagte etwas, was ich nicht verstand. Ich überließ es dem »Schicksalshüter« zu antworten. Ein Wortwechsel folgte. Nun erschienen auch einige Frauen, deren Gesichter scheu und verschlossen wirkten. Ihre Zöpfe oder Haarknoten wurden mit Nadeln in Form von Schmetterlingen oder Blumen geschmückt. Sie waren ähnlich wie die Männer gekleidet, doch waren ihre Gewänder auffallend bunt. Nach einer Weile wandte sich der »Schicksalshüter« an mich:
    Â»Die Leute bekunden ihre Anteilnahme an unserem Unglück. Dieser Mann bittet Euch, ihm zu folgen. Er wird Euch zu Ki-Mun, dem Dorfoberhaupt, geleiten, der die Sprache der Hauptstadt spricht.«
    Der Mann führte uns zu einem stattlichen Haus in der Dorfmitte. Kürbisranken bedeckten die Mauern aus Bruchsteinen. Durch ein hölzernes Tor gelangten wir in einen Garten, in dem zahlreiche Obstbäume wuchsen. Gemüse war in großen Tonkrügen eingelegt. Das steinerne Haus war weiß gekalkt. Zum Schutz gegen den Wind wurde das Strohdach mit Seilen befestigt. Eine hübsche Frau erschien an der Schiebetür. Sie trug ein Gewand mit anliegendem Mieder und bauschigem Rock. Ihr Haar war zu einem Kranz geflochten, eine Haartracht, die ich zum ersten Mal sah.
    Mit schüchterner Verneigung bat sie uns in ihr Haus, das hell, luftig und sehr sauber war. An der Herdstelle hing ein großer Eisenkessel, der an einer Kette an einem Balken befestigt war. Die Frau bot uns Tee an, während wir auf die Ankunft ihres Gatten warteten, der bald darauf erschien. Es war ein kurzatmiger Mann mit breiten Gesichtszügen. Seine kleinen Augen glänzten neugierig und freundlich. Zu dem landesüblichen Gewand trug er eine eigenartige schwarze Kopfbedeckung, die, wie ich später erfuhr, aus Pferdehaaren angefertigt war. Seine Begrüßung war warmherzig und von ausgesuchter Höflichkeit. Ich bemerkte erfreut, dass ich seine Sprache verstand.
    Â»Mein Name ist Toyo-Hirume-no-Miko«, begann ich. »Ich bin die Tochter von Himiko, der Königin von Yamatai. Ich bin über das Meer gefahren, um mich zum Hof von Nimana zu begeben und Eurem Herrscher, dem edlen Fürsten Iri, eine wichtige Botschaft zu überbringen. Doch der Sturm heute Nacht hat unser Schiff versenkt. Meine Begleiter sind umgekommen. Nun bin ich in größter Sorge, denn mein Auftrag ist lebenswichtig und duldet nicht den geringsten Aufschub.«
    Der Mann blickte forschend in mein Gesicht; das, was er darin las, überzeugte ihn, dass ich die Wahrheit sprach. Er verbeugte sich tief und erklärte, dass es ihm und seiner Familie die größte Ehre sei, mich in seinem Haus zu empfangen. Ich dankte verbindlich, und Ki-Mun fuhr

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