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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Erst im Morgengrauen fiel ich in unruhigen Schlaf.
    Es wurde ein trüber Tag. Die Wolken hingen am Himmel, als hätte der Wind sie platt gedrückt. Dann fegte das Rauschen einer Regenfront heran. Die See zischte und tobte. Das Schiff schien über das Wasser zu fliegen. Bald fiel der Regen, als würde er aus riesigen Himmelskübeln ausgegossen. Ein eiskalter Guss prasselte auf Rücken und Schultern der Seeleute nieder. Mit weit aufgerissenen Augen und klatschnassen Haaren starrte der »Schicksalshüter« in den Nebel. Immer wieder schwang er seine Rute aus Weißholz, murmelte Beschwörungen, um das Unheil zu bannen.
    Doch die Elemente waren uns übel gesinnt; am Abend setzte Sturm ein. Gleich die ersten Stöße fegten alle kleineren, unbefestigten Gegenstände von Bord. Der Ozean rauschte und schäumte wie ein brodelnder Kessel. Die Masten bebten, das Holz ächzte und stöhnte. Wassermassen, die sich mit tobendem Gebrüll überschlugen, schienen von allen Seiten zu kommen.
    Plötzlich packte der Sturm das Schiff von der Seite. Eine hochgehende Woge schlug über dem schräg liegenden Deck zusammen. Das herumgeschleuderte Schiff sackte in ein Wellental. Uzuo kämpfte sich zum Steuer vor, versuchte, das Schiff in seine Gewalt zu bekommen, und dank seiner Erfahrung gelang es ihm auch. Zitternd und durchnässt klammerte ich mich mit steifen Händen an ein Tau, während die Offiziere der Begleitmannschaft nur mühsam ihre Fassung bewahrten. Einige waren seekrank und übergaben sich.
    Die Seeleute schöpften pausenlos Wasser. Es war entsetzlich kalt. In meinen Umhang gehüllt, verzog ich mich in die Kajüte. Meine Zähne klapperten, ich fror bis ins Mark. Das Tosen der Wellen dröhnte in meinen Ohren. Plötzlich erschütterte ein gewaltiger Stoß das Schiff. Schreie gellten. Ich stolperte aus der Kajüte, versuchte, an Deck zu gelangen. Das Schiff wurde von Welle zu Welle geworfen. Regen und Salzwasser peitschten mir ins Gesicht. In der Dunkelheit taumelte eine schwarze Gestalt auf mich zu. Es war Sire Tajigori.
    Â»Bleibt unten!«, schrie er. »Es ist gefährlich an Deck!«
    Ich suchte tastend nach Halt. Er packte mich an den Schultern, um mich zu stützen. Die Seeleute schrien jetzt noch lauter. Ein Mann hatte den Arm ausgestreckt und zeigte auf einen schwarzen Berg, der bis in den Himmel ragte und sich dem Schiff entgegenbewegte. Starr vor Entsetzen wurde mir bewusst, dass es kein Berg, sondern eine Riesenwelle war, glänzend wie Pechkohle, die sich mit albtraumhafter Langsamkeit vor uns auftürmte.
    Uzuo und zwei seiner Seeleute lehnten sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das Ruder. Ein Mann ging über Bord, keiner konnte ihn retten. Das Schiff drehte schwerfällig ab. Doch schon holte uns die Riesenwelle ein. Für einen Augenblick schien es, als schwebte sie in der Luft, dann brach sie über uns zusammen. Das Schiff fuhr herum, in ein Gewirr von Tauen und Segeln verstrickt. Die See schäumte über Deck.
    Der gewaltige Sog riss mich aus Tajigoris Umarmung. Die Wassermassen, die ihn über Bord warfen, schleuderten mich gegen die Reling. Mein Kopf schien zu zerplatzen, doch seltsamerweise verspürte ich nicht den geringsten Schmerz. Durch das Wasser, das mir über die Augen rann, sah ich die großen schwarzen Felsmassen, gegen die das brodelnde Meer schlug. Das hin und her geworfene Schiff drehte sich wie ein Spielzeug und wurde von der erbarmungslosen Strömung gegen die Klippen getragen. Das Ruder zerbrach. Mit lautem Krachen stürzte ein Teil der Takelage auf das Deck. Ein Knirschen und Zittern ging durch den Rumpf, als der Kiel über die messerscharfen Zacken der Klippen hinwegrutschte. Der Mast krümmte sich wie ein Bogen und brach. Holzstücke wirbelten durch die Luft, die Segel gingen klatschend über Bord. Mit aufgerissener Flanke wand sich das Schiff in den Krallen des Riffs, bevor es sich besiegt zur Seite legte.
    Im brausenden Sturm, der die Wolken am Nachthimmel dahinjagte, riss plötzlich ein Loch auf, und ich sah die glänzenden Sterne. Ich dachte an Suki. Es schien mir seltsam, dass uns das Schicksal den gleichen Tod vorbestimmt hatte. Das Bild meiner Mutter, wie sie mit weißem Gesicht auf der Matte lag, streifte meine Gedanken. Schon zerschmetterte ein gewaltiger Stoß den Kiel. Menschen, Segel und Planken wirbelten durch die Wellentäler. Ich wurde über Bord gespült,

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