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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Stunden; ihre Arbeit machte ihnen Spaß: Sie waren geschickte und ehrliche Handwerker. Mir wurde klar, daß sie nicht vorhatten, mich umzubringen, bevor ich gestanden hätte – ein seltsamer Ausbruch von anspruchsvollem Benehmen.
    Aber ich kam ihnen nicht entgegen; der Schmerz war irgendwie immer zu bewältigen, und ich hatte Gefallen an diesem freien Leben gefunden und hatte keine Lust, es leichthin aufzugeben. Also fuhr ich fort, meine Unschuld zu beteuern. Die Hände sind ein extrem persönlicher Teil unseres Körpers, nicht wahr? Ihre Mißhandlung machte mich sehr, sehr zornig. Schließlich schützte ich eine Bewußtlosigkeit vor, aus der sie mich nicht erwecken konnten, und da nahmen sie mir die Eisen ab und wollten mich hinausschleifen.
    Den ersten trat ich hierhin, auf die Nasenwurzel. Tot. Ein zweiter wollte seine Pistole ziehen; ich stieß ihn krachend zum Fenster hinaus und stürzte mich hinterher, bevor die anderen einen einzigen Schuß abgeben konnten. Sein Körper federte meinen Sturz ab; seine Rippen knackten wie altbackene Kekse. Draußen Dunkelheit, Alarmgeschrill, Schüsse, die mich verfehlten und in die Erde schlugen. Ich rannte in eine Ecke des Hofes, wo Vorräte aufgestapelt waren; eine Treppe aus Fässern brachte mich auf die Mauerkrone und darüber hinweg.
    Das Gefängnis lag auf einer Halbinsel; Ozean auf drei Seiten. Ich erreichte den Dschungel, bevor sie die Straße absperrten. Sie zögerten, mich in der Nacht zu verfolgen, und blieben immer mehr zurück, je weiter ich vordrang. Das Unterholz wurde zu dicht, und ich lief am Fluß entlang stromaufwärts mit der Flut. Im Morgengrauen war ich meilenweit im Landesinneren; sie würden mich nie mehr finden. Jetzt begannen die Schmerzen; ich sammelte Arzneikräuter-Wurzeln, etwas Rinde, hauptsächlich mit den Zähnen –, um meine Hände damit zu behandeln und den Schmerz zu betäuben. In der feuchten, schwülen Luft kam es rasch zur Infektion. In die Stadt zurückzukehren, um zum Arzt zu gehen, konnte ich nicht riskieren; meine Freunde, die En-agua, die Eingeborenen weiter oben am Fluß, verstanden sich auch auf solche Dinge. Sechs Tage, bis ich bei ihnen war. Inzwischen war ich halb tot. Hohes Fieber. Delirium.«
    Jack legte die Hände auf die Knie, spreizte die verbliebenen Finger und schaute leidenschaftslos auf sie hinab.
    »Der Medizinmann schnitt die beiden am schlimmsten beschädigten Finger ab. Die anderen rettete er; ich habe keine Erinnerung daran. Ich erwachte, zwei Tage waren vergangen, meine Hände waren mit Salbe bedeckt und mit einer Kompresse aus Blättern verbunden. Sie stellten keine Fragen, ich erzählte nichts; Brutalität war in ihrem Verständnis der Außenwelt etwas Alltägliches. Zwei Monate vergingen, bevor ich kräftig genug war, um zu reisen. Zu dritt paddelten sich mich mit dem Kanu flußabwärts, verkleidet als Priester: die Geburt des Father Devine. Sie wollten mich nach Norden bringen, nach Porto Santana, wo ich einen Trampdampfer zu den Westindischen Inseln nehmen wollte. Aber ich hatte vorher noch etwas in Belem zu erledigen.
    Mit Hilfe meiner Freunde bedeckte ich den Boden eines Fuhrwerks mit Schwarzpulver, das wir aus dem Militärdepot stahlen. Dann stöberte ich Rina in Belem auf. Sie arbeitete in einem Bordell. Rauschgift. Ihr Äußeres verfiel, ihr kleines Leben war bereits auf der abschüssigen Bahn hin zu einem traurigen, vorhersehbaren Ende. Ich holte sie dort heraus, setzte sie auf den Bock des Karrens und stopfte ihr einen Knebel in den Mund. Sagte kein einziges Wort zu ihr: Was hätte es auch zu sagen gegeben? Ich schaute ihr lange in die Augen. Sie verstand mich vollkommen.
    Als es dunkel wurde, ließen wir zwei Maultiere mit dem Karren auf das Gefängnis zutraben; die Wärter sahen Rina auf dem Bock und ließen das Gespann durch ihr Tor. Die brennende Lunte, die unter den Bodenbrettern verborgen war, sahen sie nicht, und weil Rina solchen Lärm machte, hörten sie auch ihr Zischen nicht. Aber die Explosion hörte man fünfzig Meilen weit.«
    Sparks machte eine Pause, holte tief Luft. Er hatte Ringe unter den Augen, schwarz wie Schminke. Klang da Reue durch seine Worte? Doyle hörte nichts davon; er hörte nur das Pochen seines eigenen Herzens.
    »Am nächsten Morgen war ich an Bord meines Schiffes; ich hatte die Papiere eines Mannes bei mir, der stromaufwärts gestorben war, eines holländischen Geschäftsmannes namens Jan de Voort. Meine Geschichte: Bin auf dem Heimweg, nachdem ein Unfall meine Hände

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