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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Gefühl, irgendeines –«
    »Sie brauchen es mir nicht zu erklären –« »– die Pfeife wurde meine Welt; meine Welt wurde jenes Zimmer. Für drei Jahre. Das überaus köstliche Gefühl, wenn der Hunger kommt und man nichts weiter zu tun braucht, als ein Streichholz anzuzünden. Die Leichtigkeit. Immer greifbar. Wenn ich vorher Dunkelheit gefunden hatte, so fiel ich nun in den Mittelpunkt der Erde. Der Mann hatte Jadefiguren bei den Matratzen aufgestellt, Götterstatuen, Dämonen. Wenn man die Pfeife geraucht hat, hält man eine in der Hand und starrt sie an, läßt den kühlen Glanz ihrer Oberfläche in sich eindringen, Muster, kristalline Wirbel, welche die tiefsten Geheimnisse lösen. Ein Friede, den man nicht einmal in seinen Träumen erreichen kann. Die Zeit ist ausgelöscht; es gibt nur das Jetzt, den Augenblick. Ich spürte mehr Liebe in dieser Pfeife, als irgendein Mensch mir je gegeben hatte.«
    »Aber sie war nicht echt. Ein falsches Glück. Es war nicht real.« Doyle war außerstande, seine Erregung im Zaum zu halten; seit Beginn dieses Gesprächs war sie nicht so heftig gewesen wie jetzt.
    »Wer will das sagen? Es sind doch sowieso nur unsere Wahrnehmungen –«
    »Unfug. Es ist von Drogen herbeigeführt und kein natürlicher Zustand; sicher haben Sie sich doch nicht so weit vom gesunden Menschenverstand wegtreiben lassen –«
    »Der Himmel segne Sie, Doyle: Sie sind konsequent bis zum Ende. Lassen Sie nur gleich hören, diesen Unsinn vom Garten des angeborenen Guten im Menschen, in dem Sie mit beiden Beinen fest verwurzelt stehen; darauf konnte ich mich bei Ihnen noch stets verlassen –«
    Doyle konnte sich nicht länger zurückhalten. »Wieso müssen Sie so mit mir sprechen? Was habe ich Ihnen je getan? Das alles haben Sie sich doch selbst angetan.«
    Sparks wandte sich ab; war das die Andeutung eines spöttischen Grinsens oder eine Grimasse?
    »Also haben Sie Ihren Lebenslauf um die Opiumsucht bereichert – bravo, Jack, ich hatte schon befürchtet, Sie könnten es einfach auslassen. Was steht als nächstes auf Ihrer Tagesordnung? Vergewaltigung? Kinderschändung? Oder haben Sie diese beiden Punkte schon mit dem brasilianischen Mädchen abgehakt? Herzloser Mord steht ja schon auf der Liste; wäre doch eine Schande, auch nur ein bißchen des freien Willens ungenutzt zu vergeuden. Da das jetzt Ihr Modus operandi ist, warum wollen Sie sich überhaupt noch irgend etwas versagen? Verteidigen läßt sich alles, so, wie Sie das Spiel definiert haben.«
    »Was erregt denn solchen Anstoß bei Ihnen: meine Verbrechen oder ihre sogenannte Immoralität?«
    »Als ob das eine so leicht vom anderen zu trennen wäre. Ich will es Ihnen sagen: Es ist die beiläufige Verachtung, mit der Sie die Bestrebungen derer abtun, die Sie als gewöhnliche Menschen bezeichnen, nämlich ein Leben zu führen, das so etwas wie Anstand wahrt. Daß Sie ›entdeckt‹ haben, wie menschliche Wesen leben, als beobachteten Sie eine Ameisenkolonie. Was gibt Ihnen das Recht, solche Urteile zu fällen? Wo ist die Tugend, die Sie auf eine so göttermäßige Ebene erhebt? Sie glauben, Ihr Leiden berechtigt Sie dazu, vom Recht ausgenommen zu werden? Ich will Ihnen etwas sagen: Jeder leidet, und es enthebt niemanden von seiner Verantwortung gegenüber dem Gesetz. Glauben Sie denn ernsthaft, Sie sind unerreichbar für die Konsequenzen dessen, was Sie getan haben?«
    »Weit gefehlt –«
    »Ich sage es Ihnen ins Gesicht: Sie hören sich an wie ein Wahnsinniger, Jack Sparks, und wie eine Gefahr für jeden, dem Sie begegnen, mich eingeschlossen. Die Wahrheit ist, daß Sie auf dieselbe Straße geraten sind, die auch schon das Leben Ihres Bruders auf so katastrophale Weise hat ruinieren lassen. Oder war das vielleicht schon immer Ihr Ehrgeiz?«
    Jetzt konnte Jack ihm nicht mehr ins Gesicht sehen. »Nein …«
    »Ich widerspreche Ihnen. Ich habe mir in diesen letzten zehn Jahren ein Leben aufgebaut. Ich habe es mit Entschlossenheit und harter Arbeit getan – jawohl, und gehorsam gegen die Maßstäbe der gesellschaftlichen Ordnung. Wenn wir uns an diesen Vertrag nicht gebunden fühlen, wenn jedermann sich ohne einen festgelegten moralischen Verhaltenskodex nur seinem eigenen Vergnügen verpflichtet fühlt, dann bleibt nichts weiter übrig als unverbrämte Barbarei, eine Zivilisation, die nicht besser gestellt, nicht fortschrittlicher ist als das Zusammenleben von Schakalen. Ich hielt Sie einmal für einen guten Mann, nein, für einen großen Mann.

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