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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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unserer Kultur nicht einem Menschen aufnötigen, der aus einer so völlig anderen als der unseren kommt, nicht wahr?«
    »Gott behüte. Und nur um Ihnen zu zeigen, wie unvoreingenommen ich bin, werde ich vielleicht anfangen, in meiner Freizeit Schrumpfköpfe zu machen.«
    »Da könnte er Sie sicher regelmäßig mit Übungsmaterial versorgen.« Er lachte. »Entschuldigen Sie, Eileen, aber ich halte es für das beste, wenn ich meine eigenen Sachen wieder anziehe, bevor wir ankommen. Angeblich befördern Sie ja einen kranken alten Rabbi in dieser Klapperkiste.« Er verschwand hinter der Plane und hob ein paar feine Haarsträhnen vom Boden des Wagens auf. »Der Bart, fürchte ich, ist ein Totalverlust.«
    »Falls jemand fragt, sagen Sie einfach, es war eine Begleiterscheinung Ihrer Krankheit.«
    Sie ließ die Zügel schnalzen und trieb die Maultiere an, damit sie die anderen Wagen wieder einholten. Ein paar Augenblicke später hörte sie Jacob hinten fröhlich vor sich hin pfeifen.
    Was für eine merkwürdige Veränderung über ihn gekommen war, nachdem Kanazuchi sich um ihn gekümmert hatte, dachte Eileen staunend. Aber sie waren beide Priester, und sie hatten beide diesen sonderbaren Traum; vielleicht bedeutete das, daß sie mehr miteinander gemeinsam hatten, als sie sich träumen ließ.
    »Mir scheint, wir haben Gesellschaft«, sagte Jacob, der hinten aus dem Wagen schaute. Staubwolken erhoben sich in weiter Ferne auf der Straße hinter ihnen: eine zweite Wagenkolonne.
    Ein paar Augenblicke später kehrte ein überzeugender, wenn auch bartloser Rabbi Jacob zu Eileen zurück, übernahm wieder die Zügel und genoß seinen ersten Blick auf The New City. Die Stadt lag eine halbe Meile weit vor ihnen; zwei Reihen von solide gebauten Schindelholzhäusern säumten eine Hauptstraße, die am Bauplatz des Turms endete. Nur wenige, um die Mitte gruppierte Gebäude hatten mehr als ein Stockwerk; ringsumher erstreckten sich, so weit das Auge reichte, wahllos angeordnet wacklige Hütten, kaum mehr als Verschläge. Im Süden ragte wie ein Buckel ein kuppelgedecktes, scheunenartiges Lagerhaus empor, das einzige andere Gebäude von einiger Größe.
    »Meine Güte«, sagte Jacob, »diese Leute waren sehr, sehr fleißig.«
    Unmittelbar vor ihnen kam ein zweites Wachhäuschen in Sicht. Hohe Stacheldrahtzäune führten von dort nach rechts und links und umgaben die Siedlung; zwischen Zaun und Stadtgrenze lag ein etwa hundert Schritt breiter kahler Wüstenstreifen. Bewaffnete Posten, wiederum in weißen Hemden, kamen zum Tor heraus und ihnen entgegen, als die Wagen sich näherten.
    »Jacob, ich will ja nicht lästig sein …« Sie nagte an der Unterlippe.
    »Ja, meine Liebe?«
    »Haben Sie noch weiter über meine ursprüngliche Frage nachgedacht?«
    »Ja, allerdings. Ich möchte vorschlagen, wir lächeln viel und tun genau das, was man von uns erwartet, und derweil erwerben wir geduldig ein Gespür für diese Stadt und den, der hier das Sagen hat. Sie sollen eine Woche hier spielen, nicht wahr? Da haben wir ein bißchen Zeit, und als willkommene Gäste werden wir vielleicht weniger Mühe haben, als Sie womöglich annehmen. Zumal, wenn man so mühelos bezaubern kann wie Sie.«
    »Okay.« Bis jetzt nicht schlecht.
    »Und dann sollten wir in aller Stille versuchen herauszufinden, wo sie die Bücher aufbewahren.«
    »Und dann …?«
    Jacob sah sie an und lächelte. »Bitte, meine Liebe, haben Sie ein bißchen Geduld. Ich werde hier improvisieren müssen.«
    »Verzeihen Sie«, sagte sie und zündete sich eine Zigarette an. »Berufskrankheit: Ich kenne gern meinen ganzen Text, bevor ich auf die Bühne gehe.«
    »Absolut verständlich.«
    »Und er?« Sie deutete mit dem Kopf zu den Felsen hinüber, wo Kanazuchi verschwunden war. »Was ist mit ihm?«
    »Ich nehme an, unser geheimnisvoller Freund wird auf ähnliche Weise vorgehen. Wir wissen, daß er seine Waffe hier im Wagen gelassen hat; irgendwann wird er sie sicher holen kommen.«
    »Wir können ja nicht gut die ganze Nacht im Wagen sitzenbleiben und auf ihn warten –«
    »Mir scheint, wenn er uns aus irgendeinem Grunde braucht, ist er durchaus imstande, uns zu finden.«
    Eileen atmete tief ein und blies eine Rauchwolke von sich. Bis zum Wachhaus waren es keine fünfzig Schritte mehr; die Weißhemden schwärmten aus und steuerten geradewegs auf Bendigo im ersten Wagen zu.
    »Wir könnten hier drin sterben«, sagte sie.
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.«
    »Es kommt mir unter diesen

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