Im Zeichen der Sechs
wie ein Drill-Sergeant bei der Armee.
Was immer das zu bedeuten haben mochte, es war verdammt noch mal um einiges schlimmer als ein verrückter Chinamann, der mit einem Metzgerbeil durch die Gegend rannte.
Die dunkelhaarige Kleine war da drin.
Frank griff nach der Drahtschere in seiner Satteltasche, hielt aber inne, als er Mollys Stimme hörte.
Wenn du gern glauben möchtest, daß du es für das Mädchen tust, ist es mir recht, Frankie. Aber eins wollen wir doch klarstellen: Du hast vorher ein paar ernsthafte Rechnungen mit dir selbst zu begleichen. Du kannst sofort losziehen und dich zum Märtyrer machen, Buckskin McQuethy, aber niemand besteht darauf, daß du dich dabei wie ein Ochse benimmst. Schneide ein Loch in den Zaun, und in zehn Minuten hast du hundert Gewehrläufe vor der Nase. Und sei ehrlich, Frank: Dich rauszureden, wenn du in der Patsche sitzt, das war noch nie deine Stärke.
Molly konnte man nichts vormachen. Sie kannte ihn in-und auswendig.
Frank wendete sein Pferd und ritt weiter am Zaun entlang, auf der Suche nach dem nächsten Tor.
Während Buckskin Frank auf den Sonnenaufgang wartete, war Kanazuchi dabei, mit den Händen zwei Stränge des inneren Zaunes zu entflechten. Mit seinem langen Messer hätte er den Draht ohne Schwierigkeiten durchschneiden können, aber er durfte keine Spuren hinterlassen, und da die Patrouillen in Abständen von nur fünf Minuten vorbeikamen, durfte er nicht zögern; bald würde der Mond hoch am Himmel stehen und ihm seinen einzigen Vorteil nehmen.
Er zog die Drähte auseinander wie die Sehne eines langen Bogens und schlüpfte geschmeidig durch die schmale Öffnung. Die Wunde in seiner linken Seite pochte schmerzhaft, als er die Muskeln in diesem Bereich beanspruchte, um das schwierige Manöver zu vollbringen. Er achtete darauf, nicht mit dem Hemd an den rasiermesserscharfen Stacheln hängenzubleiben; wäre dies sein Zaun gewesen, er hätte die Dornen vergiftet.
Er ließ die Drähte behutsam wieder an ihren Platz zurückfedern, verwischte seine Fußabdrücke im Sand und rannte schnurstracks über das offene Gelände in die nächste Deckung, einen Schuppen, der etwa hundert Schritt weit entfernt war. Wenn eine Patrouille die Stelle beobachtete, würde sie nichts weiter sehen als einen undeutlichen Schemen.
Er schmiegte sich in den Schatten an der Wand und öffnete seine Sinne. Geräusche aus der ganzen Stadt erreichten ihn hier, zwei Blocks weit von der Main Street entfernt. Einfache Bruchbuden, die sich beinahe übereinander türmten, erstreckten sich in alle Richtungen; Holzfeuer brannten in den Herden, und der Rauch stieg aus rohen Kaminrohren empor. Essen kochte. Hühner in Hinterhofställen. Pferde rumorten in den Boxen eines nahen Stalls. Uringeruch von einer Latrine in der Nähe. Jemand kam vorbei. Weißes Hemd, ein Tragejoch mit zwei Wassereimern. Kanazuchi wurde eins mit der Dunkelheit. Wartete, bis die Schritte sich entfernten.
Der Turm stand eine halbe Meile weit entfernt; seine schwarze Silhouette schnitt ein noch dunkleres Loch in den Nachthimmel. Die Bauarbeiten waren immer noch im Gange. Helle Lichter, Gehämmer, das Schürfen von Steinen. Er könnte sich zwischen den Hütten einen Weg dorthin suchen und dabei die Main Street ganz umgehen.
So huschte er zwischen den Hütten hindurch und drückte sich in Nischen und Schatten, wenn jemand herankam. Manchmal erhaschte er durch ein offenes Fenster einen Blick auf die Weißhemden, die reglos vor dem Feuer oder stumm an einem Tisch saßen oder mit offenen Augen auf rohgezimmerten Pritschen lagen. Als er durch eine enge Lücke zwischen zwei Häusern hindurchschlüpfte, hörte er jemanden weinen; durch eine offene Tür sah er eine schluchzende Frau zusammengekrümmt am Boden liegen, und am Tisch saß ein Mann, der schweigend aus einer Schüssel aß, ohne sie zu beachten.
Kein Hund behelligte ihn auf seinem Weg zwischen den Hütten; diese Leute hielten keine Haustiere. Seltsam in einer Gemeinde von dieser Größe. Und er hörte kein Lachen – was doch stets Teil der Nachtgeräusche einer jeden Stadt war: Familien, Liebespaare, Leute, die sich trafen und zusammen tranken. Nichts davon hier. Und noch etwas fehlte: Er hatte keine Kinder gesehen. Viele Paare, aber keine Kinder.
Als er um eine Ecke bog, sah er sich dem Jüngsten gegenüber, den er hier bisher gesehen hatte, einem Jungen von vielleicht fünfzehn Jahren, der das weiße Hemd trug und einen Eimer mit Schmutzwasser schleppte. Keiner von beiden
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