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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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glomm in ihnen auf: »Sind Sie vielleicht zufällig selbst ein Mann Gottes, Mr. Stern?«
    Jacob sah Eileen kurz in die Augen; jetzt versuchte sie ihn zu warnen.
    »Das könnte man sagen«, antwortete Jacob. »Ich bin Rabbi.«
    »Natürlich; jetzt leuchtet es mir ein«, sagte Reverend Day. »Wir haben eine stattliche Zahl Ihrer israelitischen Brüder in unserer Schar, zusammen mit all den anderen gescheiterten Konfessionen – nun freilich zu unserem Glauben bekehrt, aber einst teilten sie Ihre Überzeugungen.«
    »Ein paar gewinnt man, ein paar verliert man«, sagte Jacob und zuckte die Achseln.
    Der Reverend lächelte nachsichtig. »Ich möchte meinen Gästen ungern die Strapazen einer theologischen Debatte aufbürden, aber vielleicht hätten Sie Lust, Rabbi Stern, sich morgen mit mir zusammenzusetzen und unsere … unterschiedlichen Anschauungen zu erörtern.«
    »Die Gelegenheit ist mir willkommen, Reverend. Aber ich muß Sie warnen: Die Konversion zum Judentum ist ein sehr ernstes Unterfangen.«
    »Im Dienst der Heiligen Werke Gottes«, sagte Day lächelnd, »ist das ein Risiko, das man stets bereitwillig eingehen muß.«
    Und Reverend Day wandte sich wieder Bendigo Rymer zu, der die ganze Zeit reglos dagesessen hatte und jetzt, einige Male mit den Lidern klappernd, aus einer tiefen hypnotischen Trance zu erwachen schien.
    »Ich hoffe, unser bescheidenes Theater hat bei Ihnen Gefallen gefunden, Mr. Rymer«, sagte Day und erhob sich.
    »Ja, wundervoll, Sir«, sagte Rymer, zutiefst gerührt über soviel Fürsorglichkeit. »Wunderbar eingerichtet, recht vielen Dank.«
    »Vorzüglich. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr wir uns auf Ihre Vorstellung morgen abend freuen«, sagte Day.
    Er verbeugte sich steif und verließ rasch den Raum. Jacob legte eine Hand an seine Stirn, um den pochenden Kopfschmerz zu bändigen, der sich dort plötzlich meldete. Eileen kam besorgt zu ihm.
    Die übrigen Schauspieler hatten das Gefühl, sie hätten eine Stunde lang die Luft angehalten und ließen einen kollektiven Seufzer der Erleichterung entweichen.
    Die Allein Geht klopfte leise an die Abteiltür. Keine Antwort. Sie hob die Hand und wollte noch einmal klopfen, als Jack Sparks die Tür aufriß, eine Pistole in der Hand, wütend über die Störung. Sie blieb ruhig und wartete, bis er sprach.
    »Was wollen Sie?«
    »Darf ich hereinkommen?« fragte sie.
    »Warum?«
    Sie schaute ihn an, drang sanft durch die Mauer des Zorns, die er um sich herum erbaut hatte. Jack senkte den Blick und schob die Pistole in den Gürtel. Er hielt ihr die Tür auf und verschloß sie, nachdem sie eingetreten war.
    Sie setzte sich und atmete sorgfältig und beherrscht, um keine rauhen Signale in den Raum zu senden. Nach einigen Augenblicken der Anspannung setzte Jack sich ihr gegenüber.
    »Ich möchte Ihnen von meinem Traum erzählen«, sagte sie.
    Er zögerte kurz. »Erzählen Sie.«
    Er beobachtete sie mit kaltem, ungeduldigem Stirnrunzeln. Sie holte noch einmal tief Luft; das wichtigste war der Anfang.
    »In meinem Traum ist die Erde meine Mutter; mein Vater ist der Himmel. Sie sind getrennt voneinander, aber sie leben Seite an Seite und berühren einander am Horizont, im Gleichgewicht. Weil zwischen ihnen Harmonie ist, werden die Tiere in die Welt geboren, ein jedes nach dem Bild der Götter, die sich den Himmel und die Erde teilen. Die Menschen sind die letzten Geschöpfe, die erscheinen; sie zu erschaffen, ist am schwierigsten.«
    »Wieso?«
    »Weil sie die meiste Verantwortung tragen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie sind die einzigen, denen sowohl Licht als auch Dunkelheit gegeben ist. Tiere gehorchen ihren Göttern, ohne zu fragen; sie können nur gut sein. Die Menschen sind die einzigen, die auf beide Seiten hören müssen. Sie sind die einzigen, die sich entscheiden müssen.«
    »Inwiefern müssen sie sich entscheiden?«
    »Sie müssen entscheiden, welche Seite in ihnen stärker ist.«
    Sie sah ihm kurz in die Augen; Zorn blitzte in seinem Blick, und sie schaute weg.
    »Hat er Sie hergeschickt?« Jack deutete mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die Wand zwischen seinem und Doyles Abteil.
    »Ich erzähle Ihnen nur meinen Traum«, sagte sie schlicht und wartete.
    »Also schön«, sagte er schließlich.
    »In meinem Traum sind die Menschen aus dem Gleichgewicht geraten; sie haben vergessen, daß sie sowohl aus dem Himmel als auch aus der Erde geboren sind. Ihr Verstand ist stark geworden, aber ihre Herzen sind verschlossen; sie haben die

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