Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
regelmäßiges Gehalt empfangen sollte; was meinen Sie, Rabbi? Ich halte es für einen Verstoß gegen das heilige Vertrauen zwischen Gott und Seinen … Vertretern.«
    »Das ist schön und gut für Gott, aber ein Mensch muß essen.«
    »Zehntabgaben – das ist die Antwort. Und wie die meisten vernünftigen Ideen gibt es das natürlich auch schon seit Jahrhunderten. Jeder in der Gemeinde leistet das gleiche Opfer – oder wollen wir sagen: den gleichen Beitrag? –, indem er einen Teil seiner Einkünfte dafür reserviert, den Hirten der geistlichen Herde zu unterhalten, sei er nun Prediger, Pfarrer oder Rabbi.«
    »Zehn Prozent ist eine übliche Zahl«, sagte Jacob.
    »Ich habe nur eine ganz winzige Neuerung vorgenommen«, sagte der Reverend und beugte sich vor, so daß ein Lichtstrahl auf ihn fiel. »Ich nehme hundert.«
    Days Augen schienen hervorzukriechen und waren in dem heißen Streifen Sonnenlicht erst jetzt zu sehen. Jacob spürte, wie sie ihm öligen Tentakeln gleich entgegenkamen und schaute weg. Er schluckte heftig, und sein Herz setzte einmal aus.
    »Ich hatte das große Glück, einen steten Strom von Millionären durch die Taufe in den Schoß unserer Kirche zu holen, und zwar schon sehr früh in meiner geistlichen Laufbahn. Ich kann nicht behaupten, daß dieser Zins ganz und gar ihre Idee war, aber nachdem der Vorschlag einmal in ihre Herzen eingedrungen war, stieß er auf ein bemerkenswertes Maß von Verständnis. Und ich stellte fest, daß es in den Staaten hier im Westen einen außerordentlichen Überfluß an Reichtum gibt: Transportunternehmen, landwirtschaftliche Produkte, Silber, Öl. Millionäre sind hier kaum so seltene Vögel, wie man sie im Osten findet – um es unverblümt zu sagen, hier draußen sind sie im Dutzend billiger. Und all diesem Gerede über Kamele und Nadelöhre zum Trotz habe ich festgestellt, daß ein reicher Mann der Erlösung ebenso verzweifelt bedarf wie ein mittelloser Sünder.«
    »Und sie sind immer noch bei Ihnen, diese ehemaligen Millionäre.«
    »O ja. Gleich hier, in The New City.« Day versäumte es, zu erwähnen, daß der Anblick dieser ehemaligen Industriekapitäne und ihrer verwöhnten Weiber, wie sie die Latrinen ausleerten, ihn immer noch mit Glückseligkeit erfüllt. »Und wenn Sie sie fragen würden – nun, ich wäre schockiert, wenn sie nicht bis auf den letzten Mann erklären würden, daß ihr Leben heute um hundert Prozent reicher sei als damals.«
    »Einhundert Prozent.«
    »Soviel sinnlose Herzensqual, dieses streng materielle Leben. Es bereitet soviel Unruhe und Sorge, nur festzuhalten, was man angehäuft hat. Oder danach zu streben, seinen Wert über alles vernünftige Maß der Befriedigung unserer Bedürfnisse hinaus zu steigern. Und welch machtvolle Freude, von diesem Leiden befreit zu werden und sich wieder einem Leben der geistlichen Einfachheit zu widmen.«
    »Muß ja eine schreckliche Bürde sein, dieses ganze Geld.« Jacob schaute sich unter den Reichtümern im Zimmer um. »Sagen Sie, wie schaffen Sie es denn, so gut damit zurechtzukommen?«
    »Ich bin mit einer besonderen Gnade gesegnet, wahrhaftig.« Reverend Day stand auf und kam langsam hinkend um seinen Schreibtisch herum und auf Jacob zu. »Ungeheurer Reichtum scheint meine Seele keineswegs über Gebühr zu belasten: Er ruht wie ein Kolibri auf meinen zerbrochenen Schultern.« Er wedelte mit der Hand durch einen Lichtstrahl, und die Stäubchen wichen ihm aus und wirbelten umher.
    »Was ist Ihr Geheimnis?«
    »Ich beanspruche nichts für mich selbst. Ich bin Diener, nicht Herr. Ich lebe, um meine Verpflichtung gegen Gott zu erfüllen, und was an irdischen Gütern durch meine Hände geht, hinterläßt keine Spur. Fragen Sie mich, was mir all dieses Geld bedeutet, und ich würde Ihnen ehrlich sagen, Jacob Stern, daß ich einen Silberdollar nicht von einer Kreissäge unterscheiden kann. Geld ist lediglich ein Werkzeug, das mir gegeben wurde, damit ich das Heilige Werk vollende.«
    »Das Heilige Werk …«
    »Nun, The New City. Unsere Kathedrale. Alles, was Sie um sich herum sehen.«
    »Und zu welchem Zweck?«
    »Um den Menschen näher zu Gott zu bringen. Oder sollte ich sagen, um Ihn dem Menschen näherzubringen …?« Der Reverend unterbrach sich und lächelte erwartungsvoll. »Sie bersten von Fragen, nicht wahr? Warum sprechen wir nicht … unumwunden?«
    »Worüber?«
    »Ich kenne Sie, Jacob Stern.« Reverend Day setzte sich ihm gegenüber in einen Lehnstuhl. »Ich gebe zu, anfangs konnte

Weitere Kostenlose Bücher