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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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unsicherer als Ihre.« Sie wandte sich ihm zu; er sah, wie tief sich Anstrengung und Belastung in ihr Gesicht gegraben hatten, und empfand auf der Stelle Reue.
    »Ich hoffe, wir haben Sie letzte Nacht nicht gestört«, sagte er.
    »Wann?«
    »Wir haben einen Schrei gehört und sind in Ihr Abteil gekommen.«
    »Ich erinnere mich nicht«, sagte sie und sah ihm in die Augen.
    Er glaubte ihr.
    »Mary, können Sie mir jetzt besser sagen, was Sie glauben, was … ihm gefehlt hat?« fragte er.
    »Ich weiß nicht, wie ich es mit Ihren Begriffen beschreiben soll.«
    »Dann tun Sie’s mit Ihren.«
    Sie schwieg eine Weile.
    »Seine Seele hatte sich verirrt«, sagte sie geradeheraus.
    »Können Sie sagen, wie es genau geschehen ist?«
    »Die Seele kann weit reisen, aber irgendwann muß sie den Heimweg finden. Und der Weg zurück in seinen Körper war versperrt.«
    »Versperrt?«
    »Wenn die Seele fortgeht, kann ihr Platz gestohlen werden.«
    »Von wem?«
    »Von einem w endigo.«
    »Von einem was?«
    »Einem Dämon.«
    Die Erinnerung an die fleischige Masse, die sie in ihren Händen erblickt hatten, blitzte vor ihm auf. Er fühlte sich hilflos und täppisch, und ihm war ein bißchen übel.
    »Wie das?«
    »Ist das wichtig?«
    »Nehmen wir an, es ist nicht wichtig«, sagte Doyle. »Aber was wir letzte Nacht in diesem Abteil gesehen haben, habe ich noch nie zuvor gesehen.«
    Sie schaute ihm wieder in die Augen. »Ich auch noch nicht.«
    »Mary, ich –«
    »Mein Name ist Die Allein Geht.«
    Doyle nickte; ihm war bekannt, daß diese Offenbarung ein Vertrauensbeweis war, und er wußte ihn zu schätzen. »Wenn ich irgend etwas tun kann …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Jetzt liegt es bei ihm.«
    Bevor er weiterfragen konnte, führte sie die beiden Pferde zu Jack. Doyle sah zu, wie sie ihm langsam auf die Beine und beim Aufsitzen half. Jack schaute sie nicht an; er bewegte sich und reagierte auf ihre Bewegungen wie ein gehorsamer Schlafwandler. Jeder Gedanke, der womöglich hinter seinen verhüllten Augen existierte, war dem Beobachter verborgen. Doyle kehrte zu den andern zurück.
    Lionel Stern war der einzige unter ihnen, dem das Reiten fremd war. Man beschloß, ihn auf einen großen, ruhigen Wallach zu setzen und die Nachhut bilden zu lassen. Jetzt stand er draußen vor dem Corral, hielt das Pferd auf Armeslänge von sich und starrte voller Unbehagen zu dem Tier auf.
    »Aus Prinzip«, sagte er zu Doyle, als dieser vorüberging, »bin ich eigentlich dagegen, mich auf etwas zu setzen, das größer und dümmer ist als ich.«
    Innes hatte sich um den Erwerb und das Beladen der Maultiere gekümmert und studierte jetzt mit Presto eine Landkarte, die sie auf einem Felsen ausgebreitet hatten. Doyle trat zu ihnen.
    »Der alte Knabe da drinnen hat gesagt, wir werden ungefähr dort eine Straße finden, die nicht auf der Karte verzeichnet ist.« Innes zog eine Linie von Osten nach Westen.
    »Was ist das für eine Straße?« fragte Doyle.
    »Die Irren haben sie selbst gebaut; sie wird uns geradewegs zu ihrer Siedlung führen«, erklärte Presto.
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Wenn wir stramm durchreiten, sind wir vielleicht spät in der Nacht da.«
    »Was für ein Ort ist das hier – Skull Canyon?« fragte Doyle.
    »Postkutschenstation. Wir kürzen hier durch die Berge ab und stoßen zehn Meilen westlich davon wieder auf die Straße«, meinte Innes, der sich in der Welt der Landkarten und der taktischen Überlegungen sehr heimisch fühlte.
    »Der alte Mann sagt, in den letzten paar Jahren kommt hier ein steter Strom von Leuten durch, die alle nach The New City wollen«, erzählte Presto.
    »Wild blickende Fanatiker, alle miteinander«, sagte Innes. »Er hat auch erzählt, daß gestern früh fünf Männer mit dem Zug gekommen sind, die Pferde bestellt hatten.«
    »Und die Beschreibung Frederick Schwarzkirks und seiner Komplizen paßt prächtig auf sie«, sagte Presto und senkte seine Stimme, als er einen Blick zu Die Allein Geht hinüber warf. »Einer war darunter, der hatte ziemlich unverkennbar ein prächtiges blaues Glasauge.«
    Doyle zog die Stirn kraus; er war gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß der Überfall auf Die Allein Geht irgend etwas mit dieser Bande zu tun haben könnte.
    »Beunruhigend«, sagte er.
    »Ja«, sagte Presto mit einem Seitenblick auf Innes. »Fanden wir auch.«
    Ein lautes Gepolter ertönte in der Nähe. Lionels Satteltaschen waren zu Boden gefallen. Er saß kerzengerade, obgleich verkehrt herum auf seinem

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