Im Zeichen der Sechs
Wächter saßen auf der Veranda, bewaffnet mit Winchester Gewehren und Colts. Frank ging fünf Schritt voraus, die Hände über dem Kopf. Kanazuchi war hinter ihm – Franks Revolver steckte in seinem Gürtel, und der Grasschneider war hinten unter seinem Hemd versteckt – und zielte mit dem Henry-Stutzen zwischen Franks Schulterblätter.
Die Wächter standen auf. Sie trugen weite schwarze Kleidung, und ihre Augen blickten klar und wachsam. Es waren nicht dieselben Männer, aber ihre Art erinnerte Frank an die Gruppe, die er heute hatte zum Haus reiten sehen.
»Ich habe diesen Mann im Stall gefunden«, sagte Kanazuchi.
»Ich hab’s dir schon gesagt, du blöder, schlitzäugiger Hurensohn«, sagte Frank taumelnd und schwerzüngig, »ich wollte nachsehen, ob sie mein Pferd ordentlich versorgt haben –«
»Sei still«, sagte der Anführer der Wache.
»Das Tier hatte vor ein paar Wochen die Kolik; da kann man nicht vorsichtig genug sein. Die verdammten Bengels haben sich nicht mal drum gekümmert, daß er –«
Kanazuchi stieß ihm mit dem Gewehrkolben gegen den Hinterkopf; Frank stolperte und fiel dann vornüber auf die Treppe.
»Er hat gesagt, du sollst still sein«, sagte Kanazuchi.
Die drei Wächter schauten neugierig auf Frank hinunter und ließen die Gewehre sinken. Frank ballte die Fäuste vor dem Magen und stöhnte, als müsse er sich gleich übergeben.
»Er ist einer von den Besuchern«, sagte ein Wächter.
»Ja. Er hat getrunken«, sagte Kanazuchi.
»Bringt ihn in die Strafabteilung«, sagte der Anführer.
Die beiden anderen Wächter bückten sich und wollten Frank bei den Armen packen; im selben Augenblick zog dieser Kanazuchis langes Messer unter dem Hemd hervor. Als sie ihn hinstellten, rammte Frank dem Anführer die Schulter in die Brust und stieß ihn hart gegen einen Pfosten; dann drückte er ihm die Hand ins Gesicht und stieß dem Mann das Messer hinter das linke Ohr. Er starb ohne einen Laut.
Hinter sich hörte Frank zweimal ein Rauschen wie von einem Regenschauer; als er sich umdrehte, fielen die Körper der beiden anderen Wächter auf die Veranda, und ihre Köpfe rollten die Treppe herunter. Kanazuchis Schwert steckte schon wieder in der Scheide.
Verdammt. Der Kerl verstand seinen Job.
Kanazuchi warf Frank sein Gewehr zu; Frank spannte mit einer Hand den Hahn und tauschte zugleich das lange Messer gegen den Revolver. Kanazuchi schob das w akazashi in seine Scheide, und Frank steckte den Revolver ins Halfter. Sie schlichen sich rechts und links neben die Hintertür und warteten.
»So hart brauchtest du nun auch nicht zuzuschlagen«, flüsterte Frank.
»Sieht echter aus.«
»Gut, daß ich mich nicht totstellen mußte.«
Niemand kam; die Wachen auf der Vorderseite hatten von dem Handgemenge nichts gemerkt. Frank drückte die Türklinke herunter; die Tür ging auf.
Drinnen erhellte mattes Lampenlicht den Korridor. Dicke Teppiche dämpften ihre Schritte. Luxuriöse Möbel überall im Haus, Ölgemälde an den Wänden, ein kristallener Kronleuchter über der Treppe im vorderen Eingangsflur. Nirgends ein Spucknapf in Sicht. Vornehmer als ein Puff in New Orleans.
In einem Salon zur Linken hörten sie jemanden mit erhobener Stimme reden, und sie schlichen sich zu der geöffneten Schiebetür, die einen Spaltbreit offen stand. Drinnen sahen sie vier Mann von der Schwarzhemden-Elite, die von einem großen blonden Kerl mit ausländischem Akzent, erkennbar ihr Vorgesetzter, abgekanzelt wurden »… Telegramm steht, sie sind in Prescott ausgestiegen und heute nachmittag losgeritten. Haltet auf der östlichen Straße nach ihnen Ausschau. Fünf Männer, eine Frau. Sie müßten ein Buch bei sich haben. Laßt sie durchreiten, und schnappt sie euch, wenn sie das Tor passiert haben. Der Reverend bezahlt uns erst, wenn er das Buch hat. Los.«
Die vier Männer kamen auf die Schiebetür zu; Kanazuchi und Frank drückten sich gegenüber in ein dunkles Zimmer, und die Männer gingen durch den Flur Richtung Ausgang.
»Sie nicht, Mr. Scruggs.«
Einer der vier, ein milchgesichtiger Mann mit einem kleinen Koffer, blieb gehorsam stehen; der blonde Mann legte ihm einen Arm um die Schultern und ging mit ihm zur Tür. »Sie bleiben bei mir«, sagte er.
Frank und Kanazuchi warteten, bis sie die Haustür zufallen hörten, bevor sie wieder in den Flur hinaustraten. Durch die Gardinen konnten sie die Wachen sehen, die vorn auf der Veranda patrouillierten. Kanazuchi legte eine Hand auf den Schwertknauf und deutete
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