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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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fettig auf dem schmierigen Schaum. Gleich würde hinter ihnen der Vollmond aufgehen, ein präzises Gegengewicht zur untergehenden Sonne Doyle stand achtern an der Steuerbordreling und bemühte sich, ungefähr ihre Position auf See zu berechnen: kurz vor dem 30. Längengrad, bei 50 Grad Nord. Das nächste Land waren die Azoren, tausend Meilen weit südlich. Er hörte das Heulen der Schrauben unter sich. Die Maschinen stampften. Innes würde jeden Augenblick kommen; hier am Ende des Schiffes würde niemand sie belauschen.
    Doyle betrachtete seine Skizze von der Kritzelei an Seligs Kabinenwand und bemühte sich verzweifelt, einen Sinn hineinzubringen. Er hatte den ganzen Tag über an dem Problem gearbeitet und war quälend dicht davor, das Geheimnis zu entwirren, aber das letzte Stückchen, welches das Puzzle vollenden würde, blieb stets knapp außer Reichweite. Und noch immer keine Spur von diesem Geistlichen, Father Devine. Es widerstrebte ihm, zu Kapitän Hoffner zu gehen, solange er nicht mehr vorzuweisen hatte als seine derzeitigen Schlußfolgerungen, aber die Gefahr war unübersehbar: Wenn er es nicht täte, würde Lionel Stern die Nacht vielleicht nicht überleben.
    Da kam Innes.
    »Neben dem, was in ihrer Kabine verstaut ist, haben Rupert Selig und Lionel Stern vier Gepäckstücke bei sich«, sagte Innes und holte eine Liste hervor. »Einen Schiffskoffer, zwei Reisekoffer, eine Kiste. Habe alles selbst gesehen; stand im Laderaum, unberührt.«
    Doyle zog erstaunt die Brauen hoch. »Hab diesem Knaben im Maschinenraum einen Fünfer zugesteckt.«
    »Gut gemacht.«
    »Die Kiste ist mit einer intakten Zollbanderole versiegelt. Ungefähr so groß wie eine große Hutschachtel. Schätze, das wird wohl das Buch Sohar sein, was?« Doyle sagte nichts. »Wo ist Stern jetzt?« fragte Innes.
    »In der Kapitänskabine, für den Augenblick gut versorgt. Beim Tode eines Zivilisten auf See fällt ein unglaublicher Papierkram an.«
    »Ist mir nie in den Sinn gekommen. Was machen sie mit dem Leichnam?«
    »Gekühlte Kabinen. Eine Notwendigkeit auf jedem Kreuzfahrer mit älterer Klientel, darunter nicht wenige Übergewichtige, Apoplektiker, Sklerotiker …«
    Innes erschauderte unwillkürlich. »Hoffentlich nicht allzu nah bei der Küche.«
    »Separater Bereich. Näher beim Laderaum, wo sie auch die Särge verstauen, deren Verladung wir im Hafen mitangesehen haben.«
    »Kann einem glatt den Appetit verderben.« »Hör zu. Der Schiffsarzt besteht darauf, Seligs Tod als natürlich zu registrieren«, sagte Doyle. »Nicht im Ernst.«
    »Alle äußeren Anzeichen deuten darauf hin, daß Selig an einer akuten Koronarinsuffizienz gestorben ist. Auch ich kann das nicht bestreiten, und sicher wollen seine Mörder uns genau das glauben machen. Es gibt an Bord nicht die nötigen Einrichtungen, um eine ordentliche Autopsie durchzuführen, und wenn es sie gäbe, würden die Resultate dem Anschein nicht unbedingt widersprechen. Und das letzte, was der Kapitän an Bord seines Luxusliners gebrauchen kann, ist müßiges Gerede über die Ermordung eines Passagiers.«
    »Aber natürlich ist dies genau das, was wir vermuten.« »Einen Mann zu Tode erschrecken? Eine Überdosis Adrenalin durch seinen Organismus schießen zu lassen, so daß sein Herz buchstäblich explodiert? Ja, das würde ich als Mord bezeichnen.«
    »Was konnte der Auslöser gewesen sein?«
    Doyle hob die Schultern.
    « Vielleicht hatte er ja einen Blick auf den Schiffsgeist geworfen, der dort unter Deck herumspaziert«, meinte Innes.
    »Gütiger Himmel.« Doyle starrte seinen Bruder mit großen Augen an, als habe er einen Hammerschlag abbekommen.
    »Fehlt dir etwas, Arthur?«
    »Ja, natürlich, das ist es. Gut gemacht, Innes.«
    »Was denn?«
    »Du hast die Nuß geknackt, mein Alter«, sagte Doyle und zog ihn hastig zur nächsten Luke.
    »Ich?«
    »Geh noch einmal zu deinem Maschinisten. Er soll eine Feueraxt holen, einen Hammer und ein Brecheisen. Es wird Zeit, daß wir uns mit Mr. Stern und Kapitän Hoffner unterhalten.«
    Der Maschinist richtete den Strahl seiner Laterne in die dunkle Nische des Laderaums und löste mit dem Lichtschein eine versiegelte, rechteckige Versandkiste aus dem Gewirr der Ladung.
    »Ist das Ihre Kiste, Mr. Stern?« fragte Doyle.
    »Ja«
    »Ich bin sicher, wir sind alle höchst interessiert, Mr. Doyle«, sagte Kapitän Hoffner mit strapazierter Höflichkeit, »aber ich fürchte, ich sehe den Sinn dieser Übung nicht ganz ein …«
    Doyle hob die Axt, und mit

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