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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Sie noch hätten machen können. Alles Gute, Arthur. Genießen Sie Ihren Aufenthalt in Amerika.«
    Mit einer knappen Kommandogeste an seine wartenden Höflinge schritt Roosevelt davon, und die ganze Truppe folgte ihm im Gleichschritt. Innes trat in das Vakuum in ihrem Kielwasser.
    »Was war denn das?« fragte er.
    »Ein schockierendes Beispiel für die Spezies Homo americanus. Man könnte ihn ausstopfen und ins Museum stellen.« »Ganz schöne Dandys, die ganze Bande, was? Ziemlich verrückter Knacker da drüben«, sagte Innes und deutete mit dem Kopf auf einen gertenschlanken Mann in Zylinder und Schwalbenschwanz; er trug ein schwarzes Cape, dazu einen wehenden weißen Seidenschal und war in ein Gespräch verwickelt, schaute aber regelmäßig zu ihnen herüber. Sein Gesicht war dunkel und fein konturiert, die Augen hatten einen ostindischen Schnitt, und Lippen und Nase waren von beinahe femininer Zartheit. Eine lange schwarze Löwenmähne floß zu einem dicken Pferdeschwanz zusammen. Er schien Anfang Dreißig zu sein, und er trat mit dem schwungvollen selbstbewußten Habitus des gefeierten Maestro auf.
    »Fing eben an, mir von einem Konzert zu erzählen, das er plant; jedes Instrument im Orchester soll durch einen anderen Geruch dargestellt werden, den er mit einer Maschine ins Publikum pumpt, wenn sie zu spielen anfangen.« »Durch verschiedene Gerüche?«
    »Du hörst ganz richtig. Rosen für die Streicher, Sandelholz für die Blechbläser, Jasmin für die Flöte und so weiter. Jeder Duft strömt aus einer eigenen Tülle, die mit dem Instrument verbunden ist und von ihm aktiviert wird.« »Gütiger Himmel.«
    »Ein Patent hat er schon, sagt er. Duft-O-Rama. Symphonie der Gerüche.« »Unfaßbar.«
    »Gibt’s nur in Amerika.« Innes ging davon.
    Ein großer, blonder, gutaussehender Mann im Smoking löste sich aus der Menge, ging mit gleichmäßigem Schritt von hinten auf Doyle zu und schob dabei seine Hand unter das Jackett. Der elegante dunkelhäutige Mann mit dem Seidenschal sah ihn kommen. Er wandte sich um und steuerte geradewegs auf Doyle zu, nahm ihn fest beim Arm und führte ihn mitten ins Gedränge.
    »Mr. Conan Doyle, die Ehre ist ganz auf meiner Seite«, sagte der dunkle Mann im wohlgerundeten Oxford-Englisch der Upper Class. »Ich hatte soeben das hinreißende Vergnügen, die Gesellschaft Ihres Bruders zu genießen, und dachte, ich könnte mir vielleicht die Freiheit nehmen, mich auch Ihnen bekannt zu machen.«
    Ist bereits geschehen, dachte Doyle. Mr. Duft-O-Rama. Der große blonde Gentleman hinter ihnen blieb stehen und zog sich dann an den Rand des Saales zurück.
    »Mein Name ist Preston Peregrine Raipur, aber alle Welt nennt mich Presto. Wir sind übrigens Landsleute; ich bin ein Oxford-Mann: Trinity College, Jahrgang ’84«, sagte der Dandy und fügte dann, ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern, in leisem, todernstem Ton hinzu: »Bitte werfen Sie während unseres Gesprächs auch weiterhin von Zeit zu Zeit einen Blick in die Gesellschaft, wenn Sie so gut sein wollen, Sir, und lächeln Sie höflich, als hätte ich etwas gesagt, das milde Heiterkeit bei Ihnen weckt.« »Was?«
    »Wir werden beobachtet. Am besten wäre es, unsere Unterhaltung bliebe kurz und scheinbar ganz und gar auf Oberflächlichkeiten beschränkt«, sagte Presto; sein frivoler Tonfall war völlig verschwunden, und eine ernsthafte, intelligente Aufrichtigkeit war an seine Stelle getreten.
    »Was hat das zu bedeuten, Sir?« fragte Doyle und lächelte entsprechend der Bitte des Mannes, die wahre Richtung dieses Gespräches zu verschleiern.
    »Ein anderer Zeitpunkt und ein anderer Ort eignen sich besser zu ausführlichen Erklärungen. Sie sind in Gefahr. Sie müssen sofort weg von hier«, sagte Presto und grinste einem vorübergehenden Paar zu.
    Doyle zögerte; ein beiläufiger Blick in die Runde ließ ihn keinerlei Gefahr entdecken.
    »Und würde es Ihnen passen, wenn ich morgen früh, sagen wir, um neun Uhr zu Ihnen ins Hotel komme?« fragte Presto.
    »Nicht, wenn ich nicht vorher wenigstens andeutungsweise erfahre, worum es geht.«
    Raipur winkte jemandem über Doyles Schulter hinweg zu und lachte wie ein Halbgescheiter. Dann flüsterte er: »Jemand stiehlt die heiligen Bücher dieser Welt, Mr. Conan Doyle; ich glaube, das ist Ihnen bereits bekannt. Gewiß ist ein solches Thema doch eine Stunde Ihrer Zeit wert, und wäre es nur, um Ihre angeborene Wißbegier zu befriedigen.«
    Doyle musterte den Mann; er bestand die Prüfung.

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