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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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plötzlich um Jahre jünger aus. »Nichts ist verloren. Nichts ist vernichtet. Es gibt keine Irrwege. Keine Disharmonie. Alles kommt zurück.«
    Nein, das ist doch nicht möglich, dachte Eileen. Eine vertraute Regung ließ ihr Herz schneller schlagen. Lächerlich. Sie spürte das Gefühl auf, untersuchte es, stocherte darin herum, prüfte es; und dann mußte sie zugeben, daß es Gültigkeit hatte, so absurd es auch sein mochte.
    Sie war dabei, sich in ihn zu verlieben.

6
     
    Sie versammelten sich unter dem heroischen Bogen in der großen Halle des Metropolitan Museum, dem nördlichsten Vorposten innenstädtischer Zivilisation an der Fifth Avenue, eine glitzernde Heerschar von großbusigen Witwen mitsamt ihrem Gefolge – sie nannten sich die Vierhundert, wie jemand Doyle erklärte: exakt so viele Personen paßten in Mrs. Vanderbilts Ballsaal –, die dem verdienstvollen Gast aus England die Ehre erweisen wollten. Beim ersten Blick auf diese angesehene Gesellschaft fühlte Doyle sich hoffnungslos in der Minderzahl, aber im Laufe der Jahre hatte er ein paarmal zugesehen, wie die Queen ein paar Empfangsspaliere absolviert hatte; das Ganze war so ritualisiert wie Tanzschritte, und er hatte von einer Meisterin lernen können.
    Man wiederhole den Namen der Person, wenn er einem genannt wird, schüttele ihr die Hand – es sei denn, man wäre die Queen; dies ist eines der königlichen Vorrechte –, nehme ihr Kompliment mit Bescheidenheit und einer gefaßten Miene, die eine abstrakte Faszination angesichts der betreffenden Person vermuten läßt, entgegen, entbiete einen kurzen Dank und ein neutrales Wir-sehen-uns-später: der nächste, bitte. Er hatte diese Übung zu Hause viele Male hinter sich gebracht, allerdings – und das galt für alles, was er seit seinem ersten Tag in New York erlebt hatte – niemals in einem solch kolossalen Maßstab. Als Doyle sich ans Ende dieser Woge von Wohlgesonnenen durchgearbeitet hatte, pochte seine Handfläche wie ein geprügeltes Trommelfell. Was für seltsame Bräuche veranlaßten diese amerikanischen Magnaten zu dem Glauben, das Zermalmen fremder Handknochen könne als ein Zeichen der Freundschaft gedeutet werden?
    Nach der ersten Stunde verschmolz die Menge zu einer tausendköpfigen Bestie aus funkelnden Juwelen und schwarzen Krawatten, der er eindeutig unterlegen war, während er durch den Saal wandelte. Anscheinend brauchte man hierzulande einem Menschen nur einmal vorgestellt worden zu sein, und schon konnte er einfach herankommen und ein Gespräch anfangen. Entsetzlich! Mit ungeschützten Flanken den Attacken aus allen Himmelsrichtungen ausgeliefert, kam er sich vor wie ein Rebhuhn, das auf eine offene Wiese hinausgetrieben worden war.
    Und warum setzte man sich nicht zu Tisch, um ein anständiges Dinner zu sich zu nehmen? Auch so eine amerikanische Neuerung, erklärte Innes, während sie sich hinter eine Säule drückten: kein großes Essen. Lediglich genug Champagner, um ein Schlachtschiff darauf schwimmen zu lassen, und ein ganzes Feld von rohen Mollusken. Eine bessere Zirkulation der Gäste, ein geringerer Kostenaufwand, und man konnte auf diese Weise mehrere Veranstaltungen auf denselben Abend legen, und dieselben vierhundert Gesellschaftsgrößen konnten an allen teilnehmen, ohne jemanden zu beleidigen, indem sie sich frühzeitig verabschiedeten. Was machte das schon? dachte Doyle. Sie werden sich eine Stunde später auf der nächsten Party sowieso alle wiedersehen. Was für ein anstrengendes Programm; die halbe Zeit verwandten sie darauf, sich zum Ausgehen anzukleiden, und den Rest verbrachten sie im hastigen Galopp durch die Nacht, beständig geplagt von der nagenden Vorstellung, daß irgend jemand sich irgendwo anders vielleicht besser amüsieren könnte.
    »Tut mir übrigens leid, das mit Pinkus«, sagte Innes. »Wie ich mich an Bord benommen habe. Fürchte, ich hatte mich anfangs von ihm einnehmen lassen. Absolut meine Schuld.«
    »Schon gut«, sagte Doyle, insgeheim entzückt. »Kann jedem passieren.«
    »Visionen von Tanzmädchen sind mir im Kopf herumgeschwirrt; bin ein dummer Esel gewesen – Achtung, Arthur: Ärger im Anzug an steuerbord voraus.«
    Innes lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen herannahenden Matronenschwarm mit raubgieriger Bewunderung im flammenden Blick. Sie hatten ihn geradewegs im Visier, aber Doyle tat, als bemerke er ihr Anrücken nicht, und ergriff die Flucht, während Innes mitten in die Meute hinauswatete, um sie mit einem Nachhutgefecht

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