Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
»Morgen früh um neun Uhr im Waldorf Hotel.«
    Der Mann machte eine leichte Verbeugung. »Ich werde jetzt für eine Ablenkung sorgen; nehmen Sie Ihren Bruder und gehen Sie auf der Stelle.« Mit einer geschickten Handbewegung zauberte er eine Visitenkarte hervor und gab sie Doyle. »Wir treffen uns morgen wieder.«
    Doyle warf einen Blick auf die Karte. Unter dem Namen Preston Peregrine Raipur stand ein Titel: Maharadscha von Berar. Maharadscha?
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte Raipur und verfiel dann wieder in die Tonlage des gesellschaftlichen Paradiesvogels. »Und ich kann es nicht abwarten, mehr von Ihren fantastischen Geschichten zu lesen, Mr. Conan Doyle: Bravo! Braaa-vo! War mir ein großes Vergnügen, Sie kennenzulernen, Sir. Die besten Wünsche, jederzeit!«
    Mit diesen Worten machte Preston Peregrine Raipur, der Maharadscha von Berar, eine tiefe Verbeugung und glitt davon. Während Innes zu Doyle zurückkehrte, hob Preston seinen schwarz glänzenden Spazierstock hoch in die Luft.
    »Voila!« rief er.
    Der Stock explodierte in einer dicken weißen Rauchwolke und einer blitzenden Feuersäule. Die Leute im Saal zerstoben in alle Himmelsrichtungen.
    »Was zum Teufel –«, sagte Innes.
    »Mir nach«, sagte Doyle und nahm Innes beim Arm. »Schnell.«
    Die Brüder schoben sich durch die aufgeregte Menge und verloren sich in einem anderen Pulk, der ebenfalls den Ausgängen zustrebte. Als der Rauch sich hinter ihnen verzogen hatte, sah man, daß Presto verschwunden war.
    Der große blonde Mann entdeckte Doyle und Innes, als sie das Museum verließen, und setzte ihnen nach.
    Draußen schob Doyle seinen Bruder eilig zu der Kutsche, die am Randstein der Fifth Avenue wartete. Als er sich umschaute, sah er, wie der große blonde Mann gerade zur Tür herauskam.
    »Was ist denn los?« fragte Innes.
    »Ich werde es dir gleich erklären«, sagte Doyle.
    Sie sprangen in die Droschke.
    »Wohin?« fragte der Kutscher.
    Es war Jack.
     
     
    CHICAGO, ILLINOIS
    Sie stieg aus dem Zug und stand auf demselben Bahnsteig, auf dem wenige Abende zuvor Jacob Stern gestanden hatte. Mit ihrem blauen Baumwollkleid, das die harten Konturen ihres Körpers verbarg, und der Haube über dem rabenschwarzen Haar sah sie eher aus wie eine Cousine vom Lande, die zu Besuch kam, oder wie eine Dorfschullehrerin, nicht wie eine Indianerin, die aus der Reservation entlaufen war. Sie verbarg das Gesicht unter der Haube und hielt den Blick unterwürfig gesenkt, um keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Der Traum war in jener Nacht im Reservat wiedergekommen, wie es die Eulen-Medizin vorhergesagt hatte: Sie war allein durch eine Stadt mit hohen Gebäuden und breiten, leeren Straßen gewandert. Hatte vor einem fahlen Schloß mit fingerdünnen Türmen auf jemanden gewartet. Sie hatte dieses Schloß in dem Medizin-Traum viele Male gesehen, aber da war es ihr schwarz vorgekommen, bedrohlicher, und es hatte immer in der Wüste gestanden, nicht inmitten einer modernen Stadt. Das war alles, was der neue Traum ihr hatte offenbaren können, bevor der Schwarze Krähe Mann – nie sah sie sein Gesicht, immer nur den verwachsenen Buckel und das lange, strähnige Haar – herabstieß und alles mit Feuer davonfegte.
    Sie erkannte die Stadt; es war Chicago, die einzige Großstadt, die sie je betreten hatte. Doch sie konnte sich nicht erinnern, diesen fahlen Turm bei ihrem einzigen Besuch damals gesehen zu haben; es war ein Schulausflug gewesen, vor zwölf Jahren, mit einer Gruppe von Highschool-Absolventen aus der Reservation, die man dort hinausgeführt hatte, um Eindruck auf die weißen Politiker zu machen. Die Stadt war ihr erschienen wie ein Ort von großem Zorn, von Verwirrung und wilder Energie, und sie hatte gehofft, sie nie wieder erleben zu müssen. Aber jetzt würde sie bleiben und die Straßen absuchen, bis sie den Turm gefunden hätte, und dann würde sie warten, wer auch immer da kommen mochte.
    Als Die Allein Geht den Bahnhof verließ, schaute sie einen Mann an, der am Droschkenstand herumlungerte. Dante Scruggs ließ seinen Zahnstocher in den anderen Mundwinkel wandern, und sein gesundes Auge wurde schmal. Und als die dunkelhaarige Frau an ihm vorbeikam, begannen die bösen Gedanken, die in seinem Kopf mit größerer Regelmäßigkeit verkehrten als die Züge im nahen Bahnhof, in wilder Hast zu kreisen. Ein Monat war vergangen, seit er das letzte Mal gearbeitet hatte; allmählich kehrte die Zeit wieder, da die Stimmen zurückkamen, und der alte

Weitere Kostenlose Bücher