Im Zeichen der Sechs
diesen lächerlichen Tirolerhut aufgesetzt, erkannte sie, mit dem er aussieht wie ein heruntergekommener Robin Hood. Gott, wie der Mann einem auf die Nerven geht!
»Werden Sie lange in Phoenix bleiben, Jacob?« fragte Eileen, während sie aus dem Wagen stolperte und ihre Augen vor der grellen Wüstensonne abschirmte. Vom Schlafen im Sitzen waren ihre Beine eingerostet, und ein Blick in den Handspiegel hatte traumatische Folgen: das Haar zerzaust wie ein Dornengestrüpp, das Make-up ruiniert – für eine Frau war der Morgen ohnehin schon eine schreckliche Strapaze, aber auf Reisen war das alles noch weit schlimmer. Warum mußte er sie bloß so sehen?
»Um ganz ehrlich zu sein, meine Liebe, ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte Jacob gutmütig und holte tief Luft. »Diese Luft ist wunderbar, nicht wahr? Trocken, aber von erfrischender Wärme, und voller Blütenduft.«
»Es ist noch ein bißchen früh für mich, Jacob.« Wie er redete, konnte einem ein Besuch beim Zahnarzt vorkommen wie ein Picknick im Grünen, dachte sie.
»Aber riechen Sie es denn nicht? Es ist beinahe zu süß für meinen Geschmack.«
»Das Leben auf Tournee, mein Lieber. Für uns müde Snobs ist eine Station praktisch wie die andere.«
»Wie schade. Denken Sie doch, wieviel Sie da versäumen müssen.«
»Und das von einem Mann, der fünfzehn Jahre seine Bibliothek nicht verlassen hat?«
»Und der erkannt hat, wie sehr er in seinen Gewohnheiten fehlgegangen ist, das versichere ich Ihnen. Aber wie fantastisch ist es, soviel auf Reisen zu sein; Sie müssen doch inzwischen das ganze Land gesehen haben. Wohin wollen Sie als nächstes?«
»Unser oberster Thespis-Jünger hat uns für eine Woche in irgendeinem gottverlassenen Eisenbahnnest gebucht, irgendwo da draußen im Westen –«
»Wo denn?«
»Ich weiß es nicht. Irgendeine religiöse Ansiedlung – wie heißt sie noch, Bendigo?« fragte sie, als Rymer vorüberhastete. »Die Oase, in die du uns da führst?«
»The New City – mit großem T bei ›The‹«, antwortete Rymer; er hatte es eilig, denn er wollte die Verladung von Kulissen und Kostümen in den Anschlußzug beaufsichtigen. »Eine große Freude, Sie kennenzulernen, Rabbi. Möge der Herr Sie stets vor dem Unwetter behüten.«
»Sie ebenfalls, Sir.«
»Gott, manchmal macht er mir wirklich Zahnschmerzen«, sagte Eileen.
Als sie auf dem hölzernen Bahnsteig standen, stellte Eileen ihren Schminkkoffer ab, schaute Jacob offen ins Gesicht und lächelte mit einer anziehenden Mischung aus Zuneigung und Bedauern. »Tut mir leid, aber wir fahren schon in knapp einer Stunde weiter.«
Jacob schluckte heftig, schaute auf seine Füße und scharrte auf den knorrigen Holzplanken herum. Was ist los mit dir, Jacob? Sie ist eine schöne Frau, nicht einmal halb so alt wie du; du kennst sie seit zwölf Stunden, wirst sie nie wiedersehen und benimmst dich wie ein liebeskranker Schuljunge.
Verzweifelt durchwühlte er seine Gedanken nach irgendeinem Anfang für ein Gespräch.
»Was für eine religiöse Niederlassung ist das denn, wo Sie da hinfahren?«
»So etwas wie die Mormonen, schätze ich. Bendigo macht wie immer nur Ausflüchte.« Sie hörte seine laute Stimme, und als sie sich umdrehte, machte ihr Chef unter Mordsgeschrei einem armen Bahnarbeiter, der ihre Kulissen von einem Zug zum anderen transportierte, die Hölle heiß. Rymer hatte Talent, wenn es darum ging, das Hilfspersonal zu terrorisieren.
»In welcher Hinsicht wie die Mormonen?«
»Das hat er nicht gesagt. Wahrscheinlich hält sich da jeder fünfundzwanzig Frauen – ein regelrechtes Sodom.«
Jacob wurde rot, und Eileen bedauerte auf der Stelle ihren verfehlten Tonfall; sie war es nicht gewöhnt, sich zu zensieren, und fühlte sich ganz und gar nicht ladylike. Plötzlich erkannte sie, wie lange es her war, daß sie sich in Gesellschaft eines Mannes befunden hatte, der ihr ein anderes Gefühl gab.
»Ehrlich gesagt, er hat uns nichts weiter erzählt, als daß es mitten in der Wüste liegt und daß sie sich ein Opernhaus gebaut haben, und jetzt sind sie erpicht darauf, daß erstklassiges Entertainment bei ihnen gastiert. Weshalb sie da uns engagieren, weiß allerdings kein Mensch.« »Ich hoffe, es ist dort nicht zu gefährlich.« »Verglichen mit ein paar von den Drecklöchern, in denen wir schon gewesen sind, kann es auch nicht schlimmer sein. Eigentlich freue ich mich sogar darauf; er sagt, sie bauen da draußen eine riesengroße schwarze Burg, die wirklich eine
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