Im Zeichen der Wikinger
Regalbrett liegen. Er griff hinauf, holte eine dicke Papierrolle herunter und breitete sie auf dem Bett aus.
»Die Baupläne von dem Boot«, murmelte O’Malley. »Wie ist er denn an die rangekommen?«
Pitt überlief es eiskalt, als ihm klar wurde, dass Ford unter anderem auch den Auftrag gehabt hatte, Kelly in seine Gewalt zu bringen. »Er wird von einem hervorragenden Nachrichtendienst unterstützt. Er konnte sich mit sämtlichen Systemen und Geräten vertraut machen, kannte jede Einzelheit, sämtliche Decks, Schotten und Spanten.«
»Was wiederum erklärt, woher er wusste, wie er die Rettungskapseln von Hand aktivieren konnte und wo er die Sprengkörper anbringen musste«, sagte O’Malley.
»Hier können wir jedenfalls nichts mehr tun«, sagte Giordino, »außer die Küstenwache zu verständigen, dass sie Ausschau nach einem Schiff halten soll, das sich in der Gegend rumtreibt, um diesen Typ und Kelly aus der Kapsel zu fischen.«
Pitt fiel es schwer, sich damit abzufinden, dass Ford tatsächlich entkommen war und Kelly entführt hatte, ohne dass er irgendetwas unternehmen konnte, um sie zu retten. Er kam sich völlig ohnmächtig und hilflos vor. Deprimiert ließ er sich auf einen Stuhl sacken. Dann überlief es ihn erneut eiskalt, und diesmal hatte es nichts mit Kelly zu tun. Sämtliche Kapseln waren fort, unwiederbringlich verloren. Folglich gab es keinerlei Hoffnung für die mehr als sechshundert Menschen, die sich noch auf dem gesunkenen Kreuzfahrtschiff aufhielten.
Er saß einen Moment lang teilnahmslos da, dann blickte er zu O’Malley auf, der ihn schweigend, mit erwartungsvoller Miene anschaute, und sagte leise: »Sie kennen doch jeden Winkel von dem Boot.« Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
O’Malley zögerte kurz, wusste nicht genau, was Pitt wollte.
»Ja, ich kenne mich hier ganz gut aus.«
»Gibt es noch ein anderes Rettungssystem außer den Kapseln?«
»Mir ist nicht ganz klar, was Sie damit meinen.«
»Hat man auf der Werft eine zusätzliche Luftschleuse für eine Rettung aus dem Boot eingebaut?«
»Sie meinen, ob es eine eigens dafür vorgesehene Ausstiegsluke oben auf dem Rumpf gibt?«
»Genau.«
»Ja, es gibt eine, aber über die können unmöglich alle sechshundert Mann an Bord gerettet werden. Vorher geht uns die Luft aus.«
»Wie das?«, fragte Giordino. »Die Rettungsaktion läuft doch schon.«
»Sie wissen also nicht Bescheid?«
»Erst, wenn Sie’s uns verraten«, erwiderte Pitt barsch.
»Die
Golden Marlin
ist nicht dafür gebaut, länger als vier Tage am Stück unter Wasser zu bleiben. Danach geht die Atemluft rasch zur Neige.«
»Ich dachte, die Luftregeneratoren erneuern ständig die Atemluft hier drin«, sagte Giordino verdutzt.
O’Malley schüttelte den Kopf. »Sie sind erstklassig, was das Aufbereiten der Atemluft angeht. Aber nach einer gewissen Zeit können sie die Unmengen von Kohlendioxid, die entstehen, wenn sechshundert Menschen auf engstem Raum atmen, nicht mehr herausfiltern. Dann wird die Luft nach und nach immer schlechter.« Unwirsch zuckte er die Schultern. »Aber diese Überlegungen sind sowieso hinfällig, wenn das Wasser die Generatoren erreicht und der Strom ausfällt. Dann bricht die ganze Luftaufbereitungsanlage zusammen.«
»Vier Tage, wenn wir Glück haben«, sagte Pitt versonnen.
»Dreieinhalb, genauer gesagt, da wir seit dem Abtauchen bereits zwölf Stunden unter Wasser sind.«
»Die US-Navy hat ein Rettungstauchboot, das uns rausholen könnte«, sagte Giordino.
»Ja, aber bis man das klargemacht, samt der Besatzung hierher geschafft und sämtliche Vorbereitungen für die Rettungsaktion getroffen hat, sind die vier Tage längst vergangen.« O’Malley sprach langsam, voller Nachdruck. »Wenn sie es runtergelassen und an unsere Luftschleuse angekoppelt haben, ist es zu spät. Dann retten sie allenfalls noch eine Hand voll von uns.«
Pitt wandte sich an Giordino. »Al, du musst mit den Müttern und Kindern auftauchen.«
Etwa fünf Sekunden lang stand Giordino ungläubig und mit versteinerter Miene da. Dann erst begriff er, worum es ging.
»Mrs. Giordinos Sohn ist kein Feigling«, sagte er entrüstet.
»Ich verlasse doch nicht wie eine Ratte das sinkende Schiff.«
»Glaub mir, mein Guter«, bedrängte ihn Pitt, »du kannst viel mehr für uns tun, wenn du mir von oben beistehst.«
Giordino wollte ihn fragen, warum er nicht selber ginge, ließ es dann aber lieber sein und fand sich stillschweigend damit ab, dass Pitt
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