Im Zeichen der Wikinger
und der Sauerstoffflaschen, die sie auf dem Rücken trugen, wurde ihre Lage immer verzweifelter. Da sämtliche Löschanlagen und -geräte ausgefallen oder nutzlos waren, konnten sie nur ohnmächtig mit ansehen, wie sich der Brand weiter ausbreitete.
Binnen fünfzehn Minuten war das gesamte A-Deck ein loderndes Inferno. Die Flammen verschlangen die Einkaufsstraße und griffen auf die nahe gelegenen Bootsdecks über. Die Besatzungsmitglieder, die sich bereitmachten, die Rettungsboote an Backbord und Steuerbord zu Wasser zu bringen, rannten um ihr Leben, als ein Feuersturm über sie hinwegfegte.
Und noch immer ertönte kein Alarm.
Der Erste Offizier wirkte wie gelähmt. Ängstlich und widerwillig übernahm er das Kommando über das Schiff, wollte sich immer noch nicht damit abfinden, dass Kapitän Waitkus möglicherweise tot war und sie alle in Lebensgefahr schwebten. Wie alle modernen Kreuzfahrtschiffe galt die
Emerald Dolphin
als brandsicher. Darauf hatten die Schiffsbauingenieure bei der Konstruktion großen Wert gelegt. Umso unverständlicher war es, dass sich die Flammen so rasch ausbreiteten.
Sheffield vergeudete weitere wertvolle Zeit, als er Männer losschickte, die den Kapitän suchen sollten, und abwartete, bis sie sich zurückmeldeten und ihm berichteten, dass sie ihn nirgendwo gefunden hätten. Er ging in den Kartenraum und musterte den auf einer großen Seekarte eingezeichneten Kurs.
Anhand der letzten Positionsmarkierung, die der Vierte Offizier vor einer halben Stunde per Satellitenpeilung ermittelt und eingetragen hatte, stellte er fest, dass es weit und breit nur einen Flecken Land gab, den er ansteuern konnte: die Tonga-Inseln, über zweihundert Meilen nordöstlich gelegen. Er kehrte zurück und trat hinaus auf die Brückennock. Ein Regenguss prasselte auf das Schiff nieder, und der Wind hatte aufgefrischt, sodass die Wellen, die gegen den Bug anliefen, bis zu anderthalb Meter hoch waren.
Er drehte sich um, blickte nach achtern und sah zu seinem Entsetzen, wie mittschiffs Rauch aufquoll und die Rettungsboote von den Flammen verzehrt wurden. Die Feuersbrunst schien alles zu verschlingen, was sich ihr in den Weg stellte.
Wieso waren sämtliche Warn- und Löschanlagen ausgefallen?
Die
Emerald Dolphin
galt als eines der sichersten Schiffe der Welt. Unvorstellbar, dass sie am Grund des Meeres enden könnte. Wie von einem Alpdruck geschlagen, löste er endlich Alarm aus.
Inzwischen war das Casino zur lodernden Hölle geworden. In der unglaublichen Hitze der Flammen, die durch keinerlei Löschanlagen gebändigt wurden, schmolz und verglühte die gesamte Einrichtung. Das Feuer fraß sich zum Theater durch und verwandelte es in einen Glutofen, erfasste dann die Bühnenvorhänge, die in einem Funkenregen zerstoben, ehe es sich weiter ausbreitete und nichts als schwarze, verkohlte Trümmer hinterließ. Jetzt lagen die untersten Kabinen nur mehr zwei Decks über dem Brandherd.
Glocken schrillten und Sirenengeheul schallte durchs ganze Schiff – die einzigen Warnanlagen, die auf Anhieb funktionierten. Die tausendsechshundert Passagiere, jählings geweckt und dementsprechend benommen, fragten sich verdutzt, weshalb man sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Sie reagierten nur langsam, konnten nicht begreifen, dass morgens um 4 Uhr Seenotalarm ausgelöst worden war. Zunächst waren sie ruhig und gefasst, zogen bequeme Freizeitkleidung an und legten dann die Schwimmwesten an, so wie man es ihnen bei den Übungen gezeigt hatte, bevor sie sich zu den Rettungsbooten begaben. Nur einige, die auf die Veranda traten, um festzustellen, was die ganze Aufregung sollte, begriffen mit einem Mal, wie es um sie bestellt war.
Dichte Rauchwolken quollen inmitten des Lichtermeers, das sich auf dem Wasser spiegelte, aus dem Schiff, und Flammenzungen leckten aus den geschmolzenen und zersprungenen Bullaugen und Fenstern des darunter liegenden Decks. Der Anblick war ebenso atemberaubend wie schrecklich. Erst jetzt machte sich allmählich Angst breit, die in helle Panik umschlug, als die ersten Passagiere, die das Bootsdeck erreichten, eine Feuerwand vor sich sahen.
Dr. Egan führte seine Tochter zum nächsten Aufzug und fuhr mit ihr zum Beobachtungsdeck im oberen Teil der Aufbauten, von wo aus man das ganze Schiff überblicken konnte. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt, als er die Feuersbrunst sah, die sich mittschiffs, etwa sieben Decks tiefer, immer weiter ausbreitete. Von seiner Warte aus konnte er auch
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