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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war der Ausbau des Fernsprechverkehrs in eine Sackgasse geraten. Wenn man den Hörer abnahm, meldete sich die Vermittlung, der man die gewünschte Nummer mitteilte, worauf diese per Hand einen Stecker in die entsprechende Buchse steckte. Dieses System konnte natürlich nur funktionieren, solange die Zahl der Anschlüsse überschaubar blieb. Aber das Telefon hatte sich bereits als so nützlich erwiesen, dass die Nachfrage sprunghaft anstieg. Die Lösung des Problems kam überraschenderweise von einem Bestattungsunternehmer aus dem Süden der Vereinigten Staaten. Verärgert darüber, dass die örtliche Vermittlung die Hinterbliebenen jüngst Verblichener immer an den Konkurrenten weiterleitete, erfand er die Wählscheibe, die es den einzelnen Telefonteilnehmern ermöglichte, den gewünschten Gesprächspartner selbst anzuwählen. Diese Technik war ein großer Gewinn, nicht zuletzt für die Mathematik, die um ein neues Teilgebiet erweitert wurde, nämlich um die Kombinatorik, die während der 30er Jahre von der amerikanischen Gesellschaft AT&T systematisiert wurde.
    Zehn Jahre später nutzte der besagte holländische Ingenieur diese Rechenmethode zur Erstellung virtueller Pfade innerhalb der Relaisstationen, womit er den Widerstandskämpfern die Möglichkeit verschaffte, Mitstreiter anzurufen, ohne dass der Anrufer oder der Angerufene hätte lokalisiert werden können.
    Auf diese elektronische Finte wurde erstmals ein Offizier der britischen Special Operations Executive, kurz: SOE, aufmerksam, und weil er sie sehr raffiniert fand, tauschte er sich mit einem amerikanischen Kollegen in einem Londoner Pub darüber aus. Der Amerikaner gehörte dem Office of Strategic Services (OSS) an und war – wie die meisten von ›Wild‹ Bill Donovan ausgesuchten Männer – Anwalt von Beruf. Übergenau wie er war, fertigte er ein Gedächtnisprotokoll dieses Gesprächs an und ließ es seinem Büro zukommen. Der Bericht über den holländischen Ingenieur erreichte schließlich auch das Büro von Colonel William Friedman, Amerikas bestem Codeknacker. Obwohl selbst kein Hardware-Experte, erkannte Friedman sofort das Potential dieser Erfindung, vor allem auch im Hinblick auf die Zeit nach dem Krieg, in der seine Agentur – die spätere National Security Agency – immer noch damit beschäftigt sein würde, Codes und Chiffren anderer Länder zu knacken und selbst welche auszuhecken. Die Möglichkeit, mittels eines relativ simplen mathematischen Verfahrens verdeckte Kommunikationsverbindungen zu entwickeln, war wie ein Geschenk des Himmels.
    In den 40er und 50er Jahren war es der NSA gelungen, die besten Mathematiker von Amerika in ihre Dienste zu stellen. Eine der ihnen übertragenen Aufgaben hatte darin bestanden, in Zusammenarbeit mit AT&T ein universell einsetzbares Telefonvermittlungssystem zu entwerfen, in das sich der amerikanische Nachrichtendienst unbemerkt und nach Belieben einklinken konnte. Damals war AT&T Hauptauftragnehmer fast sämtlicher Regierungsbehörden und der einzig ernsthafte Konkurrent der NSA, was die Beschäftigung fähiger Mathematiker anging. 1955 war das System erstellt, und für eine erstaunlich bescheidene Summe präsentierte AT&T der Welt das Modell eines Telefonsystems, das dann tatsächlich von den meisten Ländern erworben wurde. Der kleine Preis wurde damit erklärt, dass AT&T vor allem an der Vereinheitlichung der Systeme interessiert sei, um die internationale Kommunikation zu vereinfachen. In den 70er Jahren wurden Tastentelefone und ein frequenzgesteuertes Wahlverfahren eingeführt, die für die elektronischen Systeme besser geeignet und sehr viel leichter zu warten waren als die elektromagnetischen Relais, die den Bestattungsunternehmer seinerzeit immens reich gemacht hatten. Den Zwecken der NSA kamen sie ebenfalls sehr entgegen. Dieses im AT&T-eigenen Forschungslabor in Parsippany, New Jersey, entwickelte und der Welt zur Verfügung gestellte Telefonsystem wurde in den Folgejahren immer wieder verbessert und ausgebaut, so dass schließlich fast alle Welt einheitlich vernetzt war. Und eingebettet in dieses System war ein 6-zeiliger Binärcode, der auf die Idee eines holländischen Widerstandskämpfers zurückging.
    Als die Installation abgeschlossen war, nahm Ming die Scheibe aus dem Laufwerk und warf sie in den Mülleimer. Die sicherste Entsorgung brisanten Materials überließ man am besten dem Gegenspieler, der dieses Material, ohne es zu ahnen, durch die

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