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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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amour propre kommt von innen. Sie erwarteten, dass sich die anderen ihnen beugten, und selbst die letzten Jahre interaktiver Diplomatie mit der Welt um sie herum hatten ihre Einstellung nicht nennenswert geändert.
    Aber was das anging, waren sie ein Opfer ihrer eigenen Illusionen. 1971 war Henry Kissinger im Auftrag von Präsident Richard Nixon nach China gekommen, allerdings nicht so sehr aus der von Nixon erkannten Notwendigkeit heraus, die Beziehungen zur bevölkerungsreichsten Nation der Erde zu normalisieren, sondern um die Volksrepublik China als Knüppel zu benutzen, mit dem er sich die Sowjetunion gefügig machen konnte. Tatsächlich hatte Nixon einen Prozess von solcher Langwierigkeit eingeleitet, wie er im Westen normalerweise nicht üblich war – es war eigentlich sogar eher etwas, das man als eine Sache der chinesischen Mentalität betrachtete. Der typische Chef einer totalitären Regierung ist viel zu selbstbezogen. Aus diesem einfachen Grund denkt er wie alle anderen Diktatoren in Form von Projekten, die innerhalb seiner eigenen Lebensspanne oder bestenfalls geringfügig darüber hinaus abgeschlossen werden können. Schließlich sind es lauter Männer, die die Standbilder anderer umgestürzt haben, und solche Männer geben sich, was das Schicksal ihrer eigenen Monumente angeht, keinen Illusionen hin. Sie setzen sich erst im Angesicht des Todes mit dem auseinander, was sie bewirkt haben. Und so hatte auch Mao Henry Kissinger ganz unverblümt gestanden, alles, was er erreicht habe, sei gewesen, das Leben der Bauern im Umkreis weniger Kilometer von Peking zu ändern.
    Aber die Männer in diesem Saal waren ihrem Tod noch nicht nah genug, um in solchen Dimensionen zu denken. Sie waren die Lehrmeister ihres Landes. Sie stellten die Regeln auf, an die sich andere hielten. Ihre Worte waren Gesetz. Jeder ihrer Launen wurde widerspruchslos gehorcht. Die Menschen blickten auf sie, wie sie einst auf Kaiser und Fürsten geblickt hatten. Alles, was sich ein Mensch wünschen konnte – sie hatten es. Vor allem besaßen sie Macht. Nach ihren Wünschen wurde ihr riesiges und altes Land regiert. Ihre kommunistische Ideologie war bloß der Zauber, der die Form festlegte, die ihre Wünsche annahmen, die Regeln des Spiels, das zu spielen sie vor Jahren beschlossen hatten. Die Macht war das Wichtigste. Sie konnten mit einem einzigen Pinselstrich Leben schenken oder nehmen – oder, realistischer, mit einem diktierten Wort, das von einer Privatsekretärin niedergeschrieben wurde, um es an den Befehlsempfänger weiterzuleiten, der den Abzug drückte.
    Xu war ein Mann, bei dem alles durchschnittlich war – Größe, Gewicht, Augen, Gesicht … und Verstand, wie manche behaupteten. Das alles hatte Rutledge in seinen Briefing-Unterlagen gelesen. Die wirkliche Macht lag anderswo. Xu war eine Art Galionsfigur, zum Teil wegen seines Äußeren ausgewählt, mit Sicherheit, weil er ein guter Redner war und wegen seiner Fähigkeit, im Politbüro hin und wieder für eine Idee anderer einzutreten und dabei Engagement zu simulieren. Wie ein Hollywood-Star musste er weniger clever sein als clever erscheinen .
    »Genosse Premierminister«, begrüßte Rutledge seinen Gastgeber und reichte ihm die Hand.
    »Mr. Rutledge«, erwiderte Xu in passablem Englisch. Für die komplizierteren Gedankengänge war auch ein Dolmetscher anwesend. »Willkommen in Peking.«
    »Es ist mir eine Freude und eine Ehre, ihr altehrwürdiges Land wieder einmal zu besuchen«, sagte der amerikanische Diplomat und bezeugte damit in den Augen des chinesischen Staatschefs die gebührende Achtung und Unterwürfigkeit.
    »Es ist mir immer eine Freude, einen Freund willkommen heißen zu dürfen«, fuhr Xu, wie instruiert, fort. Rutledge war schon zuvor in offizieller Funktion nach China gekommen, aber nicht als Delegationsleiter. Dem chinesischen Außenministerium war er als ein Diplomat bekannt, der sich ganz ähnlich, wie das bei ihnen der Fall war, von unten hochgedient hatte – ein reiner Befehlsempfänger, wenn auch ein hochgestellter. Der Parteisekretär hob sein Glas. »Auf eine erfolgreiche und herzliche Zusammenarbeit.«
    Rutledge lächelte und hob ebenfalls sein Glas. »Ganz meinerseits, Herr Premierminister.«
    Die Kameras zeichneten es auf. Auch die Vertreter der Nachrichtenmedien drängten sich um die beiden. Die Kameramänner fingen hauptsächlich, wie sie es nannten, ›Lokalkolorit‹ ein, wie es auch ein Amateur mit einer billigeren Minicam getan

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