Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Winston wahrscheinlich zusammen in die Wirtschaft gehen und die Welt mächtig aufmischen.« Was fast stimmte, dachte Gant, der sehr wohl wusste, dass das auf die besten Lügen fast immer zutraf.
»Und Sie haben mehrere Jahre mit Minister Winston zusammengearbeitet.« Mehr eine Feststellung als eine Frage, registrierte Gant. Wie darauf antworten? Wie viel wussten sie wirklich über ihn? Oder war er ein Buch mit sieben Siegeln für die ChiKomms? Und wenn ja, wie konnte er sich das zunutze machen?
Ein freundliches, wissendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Na ja, George Winston und ich haben schon einiges Geld miteinander gemacht. Als Jack Ryan ihn ins Kabinett holte, wollte Winston, dass ich mitkomme und ihm beim Regieren helfe. Vor allem in der Steuerpolitik. Die lag ja wirklich im Argen, und deshalb hat George mich darauf angesetzt. Und wissen Sie, was? Kann gut sein, dass er da frischen Wind reinkriegt. Wie es aussieht, wird der Kongress tun, was wir ihm vorgeschlagen haben, und das ist schon mal nicht übel.« Gant blickte ziemlich auffällig auf eine Elfenbeinschnitzerei auf einer Vitrine. Irgendwer hatte mit einem scharfen Messer ziemlich viel Zeit damit verbracht, dieses Ding so gut hinzukriegen … Und, mein chinesischer Freund, mache ich jetzt einen wichtigen Eindruck auf dich? Eines musste man dem Kerl lassen. Er hätte einen verdammt guten Pokerspieler abgegeben. Seine Augen verrieten rein gar nichts. Absolut nichts. Gant blickte wieder auf ihn hinab. »Entschuldigung. Ich rede zu viel.«
Der Funktionär lächelte. »Das ist bei solchen Gelegenheiten häufig der Fall. Warum, glauben Sie wohl, bekommen hier alle etwas zu trinken?« Sollte die Belustigung in seiner Stimme Gant etwa wissen lassen, wer hier die Fäden wirklich in der Hand hatte ...?
»Wahrscheinlich«, entgegnete Gant zaghaft und wanderte mit dem rangniedrigeren – war er das wirklich? – Diplomaten im Schlepptau weiter.
Rutledge versuchte sich darüber klar zu werden, ob die Gegenseite wusste, wie seine Anweisungen lauteten. Es waren ein paar Hinweise an die Medien durchgedrungen, aber Adler hatte diese durchgesickerten Informationen so geschickt ausgewählt, dass vermutlich selbst ein scharfer Beobachter – und ein solcher war der chinesische Botschafter in Washington – Mühe gehabt hätte, festzustellen, wer da was durchdringen ließ und zu welchem Zweck. Die Ryan-Regierung hatte sich die Presse wahrscheinlich relativ geschickt zunutze gemacht, dachte Rutlegde, denn die Kabinettsmitglieder hielten sich bei ihren Verlautbarungen hauptsächlich an die Vorgaben von Ryans Stabschef Arnie van Damm, der ein sehr raffinierter politischer Drahtzieher war. Das neue Kabinett bestand nicht aus den üblichen politischen Einzelkämpfern, die der Presse schöntaten, um ihren Eigeninteressen zu dienen. Ryan hatte im Wesentlichen Leute ohne richtige Eigeninteressen ausgesucht, was keine geringe Leistung war. Zumal die meisten auch noch kompetente Fachleute waren, denen es, wie Ryan, vor allem darum zu gehen schien, Washington mit unbeschadeter Tugend wieder verlassen und in ihr richtiges Berufsleben zurückkehren zu können, sobald sie ihrem Land eine Weile gedient hatten. Der Karrierediplomat hatte es nicht für möglich gehalten, dass sich die Regierung seines Landes so stark wandeln könnte. Als Verdienst rechnete er das alles diesem verrückten japanischen Piloten an, der in einem Wahnsinnsakt die halbe amerikanische Regierung ausgelöscht hatte.
In diesem Moment kam Xu Kun Piao mit seinem offiziellen Gefolge in den Empfangssaal. Xu war der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Volksrepublik China und Vorsitzender des chinesischen Politbüros, auch wenn er in den Medien als ›Premierminister‹ des Landes bezeichnet wurde, ein Titel, der zwar falsch war, aber sogar in Diplomatenkreisen Verwendung fand. Mit seinen einundsiebzig Jahren gehörte er der zweiten Generation der chinesischen Führer an. Die Überlebenden des ›Langen Marsches‹ waren längst alle verstorben – es gab zwar einige hohe Funktionäre, die behaupteten, dabei gewesen zu sein, aber eine Nachprüfung ergab, dass sie damals noch an der Mutterbrust gehangen haben mussten, weshalb diese Leute auch nicht ernst genommen wurden. Nein, die gegenwärtige chinesische Führungselite waren hauptsächlich die Söhne oder Neffen der Originalbesetzung, die zwar mit zahlreichen Privilegien und in relativem Komfort groß geworden waren, sich aber dennoch der
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