Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
nicht schadete.
Für Mark Gant war alles noch sehr neu. Der Raum war beeindruckend, wie der Sitzungssaal eines Großkonzerns eingerichtet, um die Vorstandsmitglieder, ähnlich italienischen Renaissancefürsten, bei Laune zu halten. Er hatte eine hohe Decke und stoffbespannte Wände – in diesem Fall chinesische Seide, rot natürlich, und dazu Kristalllüster und poliertes Messing. Jeder hatte ein winziges Glas Mao-tai vor sich, der tatsächlich wie aromatisiertes Feuerzeugbenzin schmeckte, wie man ihn gewarnt hatte.
»Sind Sie zum ersten Mal in Peking?«, fragte ihn ein chinesischer Diplomat.
Gant drehte sich herum, um auf den kleinen Kerl hinabzusehen. »Ja.«
»Dann ist es wohl noch zu früh für erste Eindrücke?«
»Ja, aber dieser Saal ist wirklich enorm … wobei natürlich Seide etwas ist, womit Ihr Volk eine lange und fruchtbare Geschichte verbindet.« Ihm war nicht recht klar, ob er sich diplomatisch oder bloß peinlich anhörte.
»Das ist so, ja«, pflichtete ihm der Diplomat mit einem breiten Grinsen und einem Nicken bei. Beides verriet dem Amerikaner allerdings nur wenig mehr, als dass sein Gegenüber nicht viel Zeit mit Zähneputzen verschwendete.
»Ich habe schon viel über die kaiserliche Kunstsammlung gehört.«
»Sie werden sie sehen«, versprach der Funktionär. »Das ist Teil des offiziellen Programms.«
»Sehr gut. Neben meinen beruflichen Pflichten würde ich auch gern ein wenig Tourist spielen.«
»Hoffentlich werden Sie uns als gute Gastgeber in Erinnerung behalten«, sagte der kleine Mann. Insgeheim fragte sich Gant, ob dieser grienende, dienernde Zwerg auch so weit gehen würde, ihn zu fragen, ob er ihm einen blasen sollte. Aber er war mit den Gepflogenheiten auf dem diplomatischen Parkett noch nicht vertraut. Hier handelte es sich nicht um Investment-Banker, die in der Regel höfliche Haie waren, die einen erst einmal fürstlich bewirteten, bevor sie einem den Schwanz abzubeißen versuchten. Wobei sie allerdings nie ein Hehl daraus machten, dass sie Haie waren. Bei diesen Leuten dagegen war er da nicht so sicher. Dieses Maß an Höflichkeit und Zuvorkommenheit war neu für Gant, aber angesichts des Briefings, das er vor seiner Mission erhalten hatte, fragte er sich, ob die Gastfreundschaft nur ungewöhnlich feindselige Verhandlungen ankündigte. Wenn sich diese beiden Dinge die Waage hielten, dann standen ihnen verdammt harte Handelsgespräche bevor.
»Dann sind Sie also nicht vom amerikanischen Außenministerium?« , fragte der Chinese.
»Nein, ich bin vom Finanzministerium. Ich arbeite direkt für Minister Winston.«
»Ah, dann befassen Sie sich vermutlich mit Handelsangelegenheiten?«
Der kleine Scheißer hat seine Anweisungen erhalten … Aber das war zu erwarten gewesen. Auf dieser Regierungsebene wurde nicht improvisiert. Jeder dürfte sehr genaue Anweisungen erhalten haben. Jeder dürfte das Buch über die Amerikaner gelesen haben. Die amerikanischen Delegationsmitglieder hatten es umgekehrt genauso gemacht. Gant allerdings nicht, da er an sich kein richtiger Akteur war und nur gesagt bekommen hatte, was er wissen musste. Dadurch befand er sich gegenüber den auf ihn angesetzten Chinesen im Vorteil. Er war nicht vom Außenministerium und hätte deshalb nicht für wichtig gehalten werden sollen – aber da er der persönliche Vertreter eines sehr hochrangigen amerikanischen Regierungsmitglieds war und bekanntermaßen zu dessen engstem Mitarbeiterkreis gehörte, musste er natürlich zwangsläufig als äußerst wichtig gelten. Vielleicht war er sogar ein Hauptberater dieses Rutledge – was für die Chinesen möglicherweise sogar hieß, dass er, Gant, derjenige war, der die Verhandlungen tatsächlich führte, und nicht der dem Titel nach ranghöchste Diplomat, weil es die Chinesen selbst häufig so handhabten. Gant kam der Gedanke, dass er sie vielleicht ein wenig aufs Glatteis führen könnte … aber wie sollte er es anstellen?
»O ja, ich war schließlich mein ganzes Leben lang Kapitalist«, sagte Gant. Er beschloss, die Sache ganz locker anzugehen und mit dem Kerl zu reden, als wäre er ein Mensch und kein idiotischer kommunistischer Diplomat. »Wie Minister Winston und unser Präsident.«
»Aber er war doch hauptsächlich Geheimdienstoffizier – hat man mir zumindest gesagt.«
Zeit für eine Spitze. »Zum Teil ist das wohl richtig, aber seine wahre Liebe gehört, glaube ich, dem Big Business. Wenn er aus dem Staatsdienst ausscheidet, werden er und George
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