Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
war.
Das Einzige, was sie störte, war, dass die Leute von ihr erwarteten, dass sie sich wie ein Supermodel kleidete. Obwohl sie immer gut angezogen gewesen war, hatte sie sich nie als wandelnden Kleiderständer gesehen. Es genügte ihrer Meinung nach vollauf, wenn sie bei diesen lästigen offiziellen Anlässen, an denen sie teilnehmen musste, schöne Abendkleider trug (für die sie übrigens nichts bezahlen musste, weil sie alle von den Modedesignern gestiftet wurden). Wie auch immer, die Frauenzeitschrift Women’s Wear Daily hatte einiges an ihrer normalen Alltagskleidung zu bemängeln – als ob ihr weißer Ärztekittel ein modisches Statement wäre. Dabei war er doch ihre Uniform, wie die der Marines, die am Eingang des Weißen Hauses Wache standen, und sie trug sie mit nicht geringem Stolz. Nicht viele Frauen, oder Männer, konnten von sich behaupten, beruflich absolut auf der Höhe zu sein. Aber sie konnte das. Nun, dieser Abend hatte bisher einen recht angenehmen Verlauf genommen. Nicht einmal Jacks Vorliebe für den History Channel hatte ihr die Stimmung verderben können, auch wenn er wegen eines kleinen Fehlers in einer Sendung heftig zu schimpfen begann, wobei nicht einmal gesagt war, dachte sie schmunzelnd, ob wirklich er Recht hatte und nicht doch die Macher der Sendung … Ihr Weinglas war leer, und da für den nächsten Tag keine Termine anstanden, bat sie den Bediensteten, ihr nachzuschenken. Das Leben hätte schlechter sein können. Schließlich hatte sie schon jenes schreckliche Erlebnis mit diesen verdammten Terroristen gehabt, aber mit viel Glück und dank dieses fantastischen FBI-Agenten, den Andrea Price geheiratet hatte, hatten sie überlebt. Sie rechnete nicht damit, dass so etwas noch einmal passieren würde. Die beste Garantie dafür war ihr eigenes Secret-Service-Team. Ihr persönlicher Principal Agent Roy Altman vermittelte ihr genauso das Gefühl, gut aufgehoben zu sein, wie sie es ihren Patienten vermittelte.
»Bitte sehr, Dr. Ryan.« Der Bedienstete stellte das nachgefüllte Glas neben sie.
»Danke, George. Wie geht es Ihren Kindern?«
»Meine Älteste hat gerade die Zulassung für die Notre Dame bekommen«, antwortete er stolz.
»Oh, das ist aber schön. Was will sie studieren?«
»Medizin.«
Cathy Ryan sah von ihrer Zeitschrift auf. »Sehr gut. Wenn ich ihr in irgendeiner Weise behilflich sein kann, lassen Sie mich es bitte wissen, ja?«
»Danke, Ma’am, gern.« Und das Schönste daran war, dachte George, dass sie das nicht nur so sagte. Die Ryans waren beim Personal sehr beliebt, obwohl es ihnen unangenehm war, dass die Angestellten ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen versuchten. Es gab noch eine andere Familie, deren sich die Ryans besonders annahmen: die Witwe und die Kinder eines Sergeants der Air Force, dessen Beziehung zu den Ryans niemand wirklich verstand. Außerdem hatte sich die First Lady persönlich um zwei Kinder von Mitarbeitern gekümmert, die Augenprobleme hatten.
»Was steht morgen alles an, Jack?«
»Eine Rede vor der VFW-Versammlung in Atlantic City. Ich fliege mit dem Hubschrauber hin und komme nach dem Mittagessen wieder zurück. Keine üble Rede, die Callie da für mich geschrieben hat.«
»Sie ist ein wenig eigenartig.«
»Sie ist nicht wie die anderen«, stimmte der Präsident ihr bei. »Aber sie versteht etwas von ihrem Geschäft.«
Gott sei Dank, dachte Cathy Ryan, habe ich mit so etwas so gut wie nichts zu tun! Für sie war es eine Rede, wenn sie einem Patienten erklärte, wie sie seine oder ihre Augen wieder hinkriegen würde.
»Es gibt einen neuen päpstlichen Nuntius in Peking«, sagte der Produzent.
»Das ist so was wie ein Botschafter, oder?«
Der Produzent nickte. »Mehr oder weniger. Ein Italiener, Renato Kardinal DiMilo. Schon ziemlich alt. Sonst weiß ich nichts über ihn.«
»Na, vielleicht können wir ja einfach mal hinfahren und mit ihm sprechen.« Barry Wise knotete seine Krawatte. »Hast du eine Adresse oder Telefonnummer?«
»Nein, aber unser Kontaktmann in der amerikanischen Botschaft kann sie umgehend beschaffen.«
»Dann ruf den Kerl gleich mal an.« Er und sein Produzent arbeiteten nun schon elf Jahre zusammen und hatten für ihre zum Teil ziemlich waghalsige Berichterstattung schon mehrere Emmys gewonnen, was nicht übel war für zwei ehemalige Sergeants von den Marines.
»Okay.«
Wise sah auf die Uhr. Zeitlich würde es optimal passen. Er konnte in aller Ruhe einen Bericht machen und ihn über Satellit
Weitere Kostenlose Bücher