Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
nach Atlanta senden, wo sie ihn dann zusammenschneiden und den Amerikanern zum Frühstück zeigen würden. Damit wäre sein Tag in diesem unzivilisierten Land optimal genutzt. Warum nur wurden keine Handelskonferenzen in Italien abgehalten? Er hatte das italienische Essen aus seiner Zeit bei der Mittelmeerflotte in bester Erinnerung. Und die italienischen Frauen! Sie waren ganz hingerissen gewesen von der Uniform der United States Marines. Andererseits – viele Frauen waren davon hingerissen.
Eine Sache, an die sich Kardinal DiMilo und Monsignore Schepke nie hatten gewöhnen können, war das chinesische Frühstück, das so ganz anders war als alles, was man in Europa am Morgen zu sich nahm. Und deshalb machte Franz Schepke jeden Morgen selbst Frühstück, bevor das chinesische Personal eintraf – sie übernahmen dann den Abwasch, was den beiden Kirchenmännern genügte. Beide hatten bereits die Morgenmesse gelesen, weshalb sie jeden Tag schon vor sechs Uhr aufstehen mussten – wie Soldaten, dachte der alte Italiener oft.
Die Morgenzeitung war die International Herald Tribune , die allerdings zu amerikanisch ausgerichtet war, aber die Welt war nun einmal kein vollkommener Ort. Wenigstens brachte das Blatt die Fußballergebnisse, denn Fußball war ein Sport, für den sich beide interessierten. Schepke spielte sogar hin und wieder selbst noch, wenn sich ihm eine Gelegenheit bot. DiMilo, der in jüngeren Jahren ein ganz passabler Mittelfeldspieler gewesen war, musste sich damit begnügen, zuzusehen.
Das CNN-Team hatte einen eigenen Van, ein amerikanisches Modell, das vor Jahren in die Volksrepublik verschifft worden war. Er verfügte über eine eigene Satellitenübertragungsanlage, fast ein kleines technisches Wunderwerk, das mittels der verschiedenen Nachrichtensatelliten eine sofortige Verbindung zu jedem Ort auf der Erde ermöglichte. Die Anlage konnte alles, nur wenn das Fahrzeug in Bewegung war, funktionierte sie nicht. Aber auch daran arbeitete man bereits. Das würde die nächste große Errungenschaft werden, denn dann müssten die mobilen Nachrichtenteams, gleichgültig, in welchem Land sie sich gerade aufhielten, nicht mehr fürchten, an einer freien Berichterstattung gehindert zu werden.
Außerdem hatten sie ein Satellitennavigationssystem, das es ihnen ermöglichte, sich in jeder beliebigen Stadt, von der sie einen Stadtplan auf CD-ROM besaßen, zurechtzufinden. So waren sie in der Lage, jede Adresse schneller zu finden als ein ortskundiger Taxifahrer. Und mit einem Mobiltelefon konnten sie sich die Adresse selbst besorgen, in diesem Fall von der amerikanischen Botschaft, die die Adressen aller ausländischen Gesandtschaften kannte, zu denen auch das Haus des päpstlichen Nuntius gehörte. Dank des Mobiltelefons konnten sie dort auch schon vorher anrufen. Zuerst meldete sich eine chinesische Stimme, dann eine, die sich – ausgerechnet – deutsch anhörte, die ihnen aber zumindest sagte, sicher, kommen Sie doch vorbei.
Barry Wise war wie üblich in Anzug und Krawatte – sein gepflegtes Äußeres war ein weiteres Relikt aus seiner Zeit bei den Marines –, und als er an die Tür klopfte, erschien der obligatorische Einheimische und führte sie hinein. Der erste Europäer, dem sie begegneten, war eindeutig kein Kardinal. Zu jung, zu groß und viel zu deutsch.
»Guten Tag, ich bin Monsignore Schepke«, begrüßte sie der Mann.
»Hallo, ich bin Barry Wise von CNN.«
»Ja«, bemerkte Schepke mit einem Lächeln. »Ich habe Sie oft im Fernsehen gesehen. Was führt Sie zu uns?«
»Wir sind eigentlich in Peking, um über die Handelsgespräche zwischen Amerika und China zu berichten, haben aber beschlossen, auch andere interessante Themen aufzugreifen. Dabei haben wir zu unserer Überraschung festgestellt, dass der Vatikan hier eine diplomatische Vertretung unterhält.«
Schepke bat Wise in sein Büro und deutete auf einen bequemen Stuhl. »Ich bin schon mehrere Monate hier, aber der Kardinal ist erst vor kurzem in Peking eingetroffen.«
»Könnte ich mit ihm sprechen?«
»Gewiss, aber Seine Eminenz telefoniert gerade mit Rom. Würde es Ihnen etwas ausmachen, ein paar Minuten zu warten?«
»Kein Problem.« Wise taxierte den Monsignore. Er wirkte sportlich, groß und sehr deutsch. Wise war oft in diesem Land gewesen und hatte sich dort immer etwas unwohl gefühlt, gerade so, als existiere dort der Rassismus, der zum Holocaust geführt hatte, im Verborgenen aber stets präsent. In anderer
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