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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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obwohl seine Frau nur über die blöden Dinger auf den Borden der Hausbar stöhnte, die sie ständig abstauben musste.
    Er brauchte eine gute neue Story. Ein weiterer ausgiebig kommentierter Bericht über die Handelsgespräche würde sein amerikanisches Publikum nur langweilen. Er suchte nach einem Thema mit Lokalkolorit, nach etwas, das es den Amerikanern ermöglichte, sich den Chinesen verbunden zu fühlen. Das war nicht einfach, zumal es schon genügend Berichte über chinesische Restaurants gab, so ziemlich das einzig Chinesische, mit dem die meisten Amerikaner vertraut waren. Was dann? Was hatten Amerikaner mit Bewohnern der Volksrepublik China gemein? Nicht sehr viel , fand Wise. Aber irgendetwas musste es doch geben, das er verwenden konnte. Als das Frühstück gebracht wurde, stand er auf und sah aus dem Fenster. Der Kellner schob den Wagen ans Bett. Wie sich herausstellte, hatten sie seine Bestellung falsch aufgenommen. Schinken statt Speck, aber der Schinken sah ganz passabel aus, weshalb Wise nicht reklamierte. Er gab dem Kellner ein Trinkgeld und setzte sich wieder.
    Irgendetwas, dachte er, während er sich Kaffee einschenkte, aber was? Er kannte diesen Prozess zur Genüge. Romanautoren rügten Journalisten zwar oft für ihre spezielle Art von ›Kreativität‹, aber das hieß nicht, dass dieser Prozess nicht Realität war. Einen interessanten Stoff zu finden war für Journalisten doppelt schwer, weil sie im Gegensatz zu Schriftstellern nichts erfinden durften. Sie mussten sich an die Realität halten, und die Realität konnte ganz schön nerven, fand Barry Wise. Er fischte seine Lesebrille aus der Nachttischschublade und stellte überrascht fest …
    So überraschend war es eigentlich gar nicht. Es war in jedem amerikanischen Hotel üblich, dass im Nachttisch eine Bibel der Gideon Society lag. Aber dennoch: Was für ein seltsamer Ort, um auf eine Bibel zu stoßen! In der Volksrepublik wimmelte es schließlich nicht gerade von Kirchen. Gab es hier Christen? Moment mal! Warum versuchte er nicht einfach, das herauszufinden? Vielleicht gab das eine Story ab … Jedenfalls besser als nichts. Nachdem dies so gut wie beschlossene Sache war, machte er sich über sein Frühstück her. Sein Team wurde wahrscheinlich gerade langsam wach. Er würde seinen Produzenten bitten, sich nach einem christlichen Geistlichen umzusehen, vielleicht nach einem katholischen Priester. Ein Rabbi wäre zu viel verlangt. In diesem Fall hätte er sich an die israelische Botschaft wenden müssen – und das wäre gemogelt gewesen, oder nicht?
     
    »Wie lief’s bei dir heute, Jack?«, fragte Cathy Ryan.
    Der Abend war ein Ausnahmefall. Sie hatten keine Verpflichtungen, kein Essen, keine Rede, keinen Empfang, keine Theateraufführung und kein Konzert im Kennedy Center, nicht einmal eine der formlosen Partys im Schlafzimmergeschoss des Weißen Hauses, die Ryan hasste und seine Frau liebte, weil sie dazu Leute einladen konnten, die sie tatsächlich kannten und mochten oder mit denen sie sich zumindest treffen wollten . An sich hatte Ryan gar nichts gegen diese Partys, aber er fand, das Schlafzimmergeschoss des Weißen Hauses war der einzige private Bereich, der ihm geblieben war – sogar das Ferienhaus auf dem Peregrine Cliff an der Chesapeake Bay war vom Secret Service umgebaut worden. Jetzt gab es dort Rauchmelder und Sprinkleranlagen, etwa siebzig Telefonanschlüsse, eine Alarmanlage, wie sie einem Atomwaffenlager Ehre machen würde, und einen Neubau für die Unterbringung der Bodyguards, die dort an den Wochenenden anrückten, wenn die Ryans von diesem öffentlichen Museum in Washington die Nase voll hatten.
    Aber an diesem Abend stand nichts dergleichen an. An diesem Abend waren sie fast wieder ganz normale Menschen. Der einzige Unterschied war, dass Ryan nicht einfach in die Küche gehen und sich ein Bier holen konnte, wenn er Durst bekam. Das war nicht erlaubt. Nein, er musste es bei einem der Bediensteten des Weißen Hauses bestellen, die dann entweder mit dem Lift in die Küche im Erdgeschoss hinunterfuhren oder zu der Bar im Obergeschoss hinauf. Natürlich hätte er darauf bestehen können, sich sein Bier oder seinen Drink selbst zu holen, aber damit hätte er einen der Bediensteten beleidigt. Und obwohl es diesen Männern, hauptsächlich Schwarzen (einige behaupteten, ihr Stammbaum würde bis zu Andrew Jacksons persönlichen Sklaven zurückreichen), eigentlich nichts ausmachte, erschien es ihnen doch unnötigerweise

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